Warum mich das Bau-Turbo-Gesetz fassungslos macht
Liebe Freund*innen,
in den letzten Wochen gab es leider wieder viele schlechte Nachrichten aus Berlin. Um nur drei zu nennen: Die Bundeswirtschaftsministerin hält an ihren Gaskraftwerken fest; die Koalition hat keinen Plan zum Wehrdienst; und die geplante Reform des Bürgergeldes steht sinnbildlich für populistische Politik.
Ich muss ehrlich sagen: In letzter Zeit fällt es mir schwer, Nachrichten zu lesen. So bedrückend und frustrierend ist das alles. Und als wäre das nicht genug, schafft es der Bundeskanzler mit seinem populistischen „Stadtbild“-Kommentar, gleichzeitig Menschen mit Migrationsgeschichte, Frauen und letztlich den gesunden Menschenverstand zu beleidigen. Die Empörung darüber war berechtigt und notwendig.
Doch im Sturm dieser schlechten Nachrichten ging eine weitere, kaum beachtete Meldung völlig unter: das sogenannte Bau Turbo-Gesetz, das der Bundestag Mitte Oktober verabschiedet hat.
Worum geht es?
Kurz gesagt: Mit dem „Bau-Turbo-Gesetz“ (Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und der Wohnraumsicherung) will die Bundesregierung durch zunächst befristete Gesetzesänderungen den Wohnungsbau beschleunigen.
An sich ist das ein richtiges Ziel. Wir sind uns alle einig, dass die schnelle und kontinuierliche Schaffung und Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum dringend nötig ist. Doch das Gesetz hat einen entscheidenden Haken: In seiner jetzigen Form löst es keines der bestehenden Probleme, sondern schafft eher neue.
Was ist das Problem?
Das Gesetz soll Bürokratie bei Bauvorhaben abbauen. In Anbetracht der über 20.000 Bauvorschriften, die in Deutschland existieren, ein nachvollziehbares Anliegen. Doch anstatt die technischen Bauvorschriften tatsächlich zu vereinfachen, erlaubt das Bau-Turbo-Gesetz lediglich die Planung von Wohnprojekten außerhalb bestehender Ortsteile und ohne Bebauungsplan. Auf die Baukosten hat dies überhaupt keine Wirkung, sehr wohl aber auf den demokratischen Prozess: denn Bebauungspläne werden in Zusammenarbeit mit Ortsbeiräten ausgearbeitet und im Stadtparlament beschlossen. Im Umkehrschluss bedeutet die Änderung konkret: Stadtgestaltung ohne Bürger*innenbeteiligung.
Dazu kommt: Wenn eine Kommune nicht innerhalb von zwei Monaten auf einen Bauantrag reagiert, gilt ihre Zustimmung automatisch als erteilt. Wie die ohnehin chronisch unterbesetzten Kommunen dies bewältigen sollen, bleibt offen. Das heißt weniger Kontrolle und Mitspracherecht.
Zudem unterscheidet das Gesetz nicht zwischen Stadt und Land. Es erlaubt im schlimmsten Fall die Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen in Bauland und schafft gutes Klima für Spekulation, steigende Bodenpreise und noch mehr Druck auf die Kommunen.
Die größte Schwachstelle ist jedoch die Tatsache, dass sämtliche soziale Aspekte gar nicht vorkommen. Das Bau-Turbo-Gesetz enthält keine Verpflichtung, sozialen oder bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das Gesetz hat somit keinerlei soziale Wirkung.
Als Architektin macht mich das Bau-Turbo-Gesetz fassungslos. Es verteilt nach dem Gießkannenprinzip neue Wohnungsbaumöglichkeiten, ohne die eigentlichen Ursachen der Wohnungsnot anzugehen. Das Gesetz nützt vor allem den Investoren und nicht den Menschen, die bezahlbaren Wohnraum brauchen. Die Probleme des Wohnungsmarkts sind komplex und vielschichtig. Wer das ignoriert, kann sie nicht lösen. Es gibt nicht die eine Zauberlösung, um Wohnraum zu schaffen. Und der Markt allein hat die Wohnungsnot noch nie gelöst, auch wenn die Bundesregierung offenbar das Gegenteil glaubt.
Was bedeutet das für Frankfurt?
Die Zahlen sind eindeutig: Bis 2030 werden in Frankfurt rund 60 000 Wohnungen fehlen.
Wir GRÜNEN akzeptieren diesen Zustand nicht. Wohnen ist ein Menschenrecht. Ohne sicheres Wohnen haben die Menschen in Frankfurt keine Zukunft.
Darum wollen wir mit unserem Kommunalwahlprogramm sicherstellen, dass Wohnen in Frankfurt wieder bezahlbar wird. Im Unterschied zu anderen Parteien haben wir eine klare Vision: sozial gerechtes, nachhaltiges und modernes Wohnen für alle.
Das bedeutet konkret z.B: Bürokratie abbauen, ohne soziale Standards aufzugeben; Fördermittel gezielt und wirkungsvoll einsetzen; konsequent gegen Leerstand vorgehen; alternative Wohnformen stärken und Flächen zum Bau geförderter Wohnungen bereitstellen.
Wir haben den Mut, die Vision und die Entschlossenheit, das umzusetzen.
Eure Desislava
Beisitzerin im Kreisverband