Einsamkeit ist auch ein gesellschaftliches Problem!
Liebe Freund*innen,
in dieser Woche „Einsamkeit“ in den Blick zu rücken, könnte aktueller nicht sein. Denn die Folgen des Phänomens gehen über die sozialen wie gesundheitlichen Auswirkungen für einzelne Personen hinaus – sie gefährden unser Gesellschaftssystem, für das wir alle in diesen Tagen (gleichwohl aus anderer Stoßrichtung) auf die Straßen gehen.
Auch deshalb hat unsere Familienministerin Lisa Paus im Dezember ihre Strategie gegen die Einsamkeit vorgelegt, mit den Eckpfeilern öffentliche Sensibilisierung, Wissen und Forschung, Fördern sowie niedrigschwellige Hilfsangebote. Die Ampel benennt die politische Bedrohung: „Betroffene beteiligen sich seltener an Wahlen und haben weniger Vertrauen in politische Institutionen. Einsamkeit wird daher zunehmend als gesellschaftliches Problem erkannt“, heißt es.
Mich beschäftigt vor allem die intersektionale Perspektive des Themas, schon lange: Wir wissen, dass nicht nur alte Menschen den Risiken des Erlebens von Einsamkeit besonders ausgesetzt sind; weitere Bevölkerungsgruppen sind es ebenfalls, darunter migrationserfahrene Menschen, Alleinerziehende und auch queere Personen.
Schon 2020 formulierte der Ortsbeirat 1 in Frankfurt am Main auf Basis eines Antrags unserer Fraktion, den ich als Stadtteilgruppenmitglied schrieb, ein Auskunftsersuchen an den Magistrat. Es baute auf die Einwohner- und Haushaltsstruktur im Zentrum der Stadt auf: Gemäß der statistischen Berichte hatten wir den Ortsbezirk als Gebiet mit einem besonders hohen Anteil an Einpersonenhaushalten herausgearbeitet – mit bis zu mehr als 70 Prozent Anteil wie im Bahnhofsviertel. Ergo: Mit besonders hoher Einsamkeitsgefährdung. Unser Antrag fand auch in den lokalen Medien Beachtung.
In diesem Kontext schrieben wir: „Studien belegen, dass mögliche Einsamkeit und Isolation ein immenses körperliches wie geistiges Gesundheitsrisiko bergen, nicht nur für ältere Menschen. Es erhöht sich das Risiko z. B. von Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, Erkältung, Alzheimer, Demenz, Depression, Schizophrenie, Sucht. Untersuchungen zeigen eine verringerte Lebenserwartung für an Einsamkeit leidende Menschen an, im höheren Maße als Rauchen, Bewegungsmangel und Übergewicht.“
Die ausführliche Antwort des Magistrats hierzu (wie die parlamentarischen wie verwalterischen Antworten im allgemeinen, die uns das Parlamentsinformationssystem Parlis per Suchwort „Einsamkeit“ dokumentiert) zeigt, dass die Intersektionalität und Interdisziplinarität des Themas zunehmend in den Fokus rücken. Und dass das Problembewusstsein wächst.
Kommunalpolitische Schwerpunkte sind immer differenzierter auch von der Perspektive der Einsamkeit als gesamtgesellschaftliche Gefahr geprägt. Die Stärkung des Quartiersmanagements ist ein Beispiel dafür, genauso wie kulturelle Mehrgenerationenangebote, psychosoziale Begleitung oder städtebauliche Wohnumfeldverbesserungen, die speziell auf den nachbarschaftlichen Zusammenhalt abzielen. Die Liste der 111 laufenden und angestrebten Maßnahmen, die die Bundesregierung nun vorgestellt hat, zahlen fördernd auf solche Lösungen ein.
Ich kann empfehlen, den umfassenden Reader der Bundesregierung zu lesen: für mehr Details, für neue Anregungen zur Verbesserung unserer Städte, als Bestätigung dafür, wie wichtig wir das Thema im Kontext zahlreicher lokaler Strukturen und Aktivitäten bereits nehmen. Und wie zeitgemäß es ist.
Viele Erkenntnisse und Bestätigungen bei der Lektüre wünscht Euch
Euer Sebastian Hakan Deckwarth