Die Schuldenbremse und die doppische Haushaltsführung
Liebe Freund*innen,
vor kurzem gelang es unserem grünen Stadtkämmerer Bastian Bergerhoff, ein bemerkenswertes Statement in der FAZ zu platzieren. Bastian regt an, dass Bund und Länder ihre Haushaltsführung nach dem Vorbild der Kommunen umstellen. Ich halte diese Vorschläge für so gut und wichtig, dass ich sie in diesem Editorial der heutigen Grünen Woche kurz darstellen und zur innerparteilichen Diskussion stellen möchte:
Letztlich geht es um die Schuldenbremse. Die Schuldenbremse unterscheidet aufgrund der Art der Haushaltsführung des Bundes nicht zwischen Ausgaben für Zukunftsinvestitionen und Ausgaben, die nicht als Investitionen zu werten sind. Bei der Schuldenbremse des Bundes wird allein auf die Zahlen geschaut. Ob das Geld langfristig gut angelegt ist und zukünftig vielleicht sogar weitere Ausgaben unnötig macht – zum Beispiel, weil eine Brücke rechtzeitig saniert wird, bevor sie zusammen fällt und teuer neu gebaut werden muss – fällt bei der kameralistischen Haushaltsführung des Bundes unter den Tisch.
Bei den Kommunen ist es anders: Die allermeisten Kommunen (auch Frankfurt) haben schon lange auf die sogenannte doppische Haushaltsführung umgestellt. Dabei wird unterschieden zwischen sogenannten konsumptiven Ausgaben, Bastian nennt als Beispiel die Pflege der Grünanlagen, und investiven Ausgaben, wie zum Beispiel der Bau einer neuen Schule. Die neue Schule stellt, einmal gebaut, einen dauerhaften Wert dar, die investierten Mittel sind also nicht weg. Bei konsumptiven Ausgaben werden im Vergleich dazu keine dauerhaften Werte geschaffen. Dies wird bei der Haushaltsführung der meisten Kommunen unterschieden und wird übrigens auch bei Unternehmen ähnlich gehandhabt. Auch bei Unternehmen wird die Investition zum Beispiel in neue Maschinen oder Gebäude anders in der Bilanz gehandhabt als laufende Ausgaben wie die Stromrechnung oder Löhne.
Das heißt jetzt nicht, dass man konsumptive Ausgaben komplett vermeiden sollte. Die Begleichung der Stromrechnung und vieler anderer laufenden Kosten muss nun mal einfach sein. Aber wenn es möglich ist, durch kluge Investitionen in Energiesparmaßnahmen die laufenden Kosten zu senken, dann muss dieser Wert der Investition sich auch irgendwie in der Beurteilung niederschlagen. Die Haushaltsführung der Kommunen ermöglicht diese Unterscheidung, die des Bundes nicht.
Eine Schuldenbremse ist ja nicht von sich aus sofort sinnlos, das stellt auch Bastian in der FAZ klar. Wenn aber eine Schuldenbremse dazu führt, dass man nicht mehr unterscheidet zwischen Investitionen in die Zukunft und laufendem Verbrauch, und deswegen Investitionen in die Zukunft massiv vermeidet, dann entstehen gravierende Fehlentwicklungen, wie wir sie gerade auf Bundesebene beobachten müssen.
Deutschland will eine moderne Industrienation bleiben. Wir können uns also keine marode Infrastruktur leisten, wir können uns kein marodes Bildungssystem leisten, und wir dürfen vor allem auch den Anschluss an die Technologien der Zukunft nicht verlieren. In all diesen Bereichen sind massive Investitionen notwendig. Wenn eine Umstellung der Haushaltsführung des Bundes auf ein System ähnlich, dem der Kommunen hier hilfreich ist, sollte diese Umstellung erfolgen. Deswegen danke ich unserem Stadtkämmerer Bastian Bergerhoff sehr für sein Statement.
Die Art, wie der derzeitige Bundesfinanzminister die Schuldenbremse interpretiert, ist jedenfalls kontraproduktiv und riskiert die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Euer Thomas Schlimme
Beisitzer im Vorstand