Rede zur Rahmenstrategie Digitalisierung der Stadt Frankfurt am Main (M87/24)
Sehr geehrte Frau Stadtverordneten-Vorsteherin, liebe Kolleg*innen,
Ich erhielt neulich eine Email von der Stadtverwaltung Malmö, wo ich vor Jahren gelebt und gearbeitet habe, bevor ich nach Frankfurt gezogen bin: Ich hätte vergessen mich beim Skatteverket – beim örtlichen Finanzamt – abzumelden. Es wäre aber kein Problem, das Problem zu beheben. Ich müsse dafür nicht nochmal nach Schweden reisen oder viele Belege und Papiere einscannen. Es reiche, wenn ich ein Onlineformular dazu ausfülle.
In Schweden ist die Steuererklärung nämlich keine Wissenschaft und aufwändiges Unterfangen: Man öffnet die Finanzamts-App, gibt seine elektronische Identifikations-Nummer und den zugehörigen Code ein, bekommt dann eine automatisch erzeugte Steuererklärung auf Schwedisch oder Englisch, klarverständlich aufgebaut, online vorgelegt und muss am Ende nur noch ein Häkchen setzen. 10 Minuten dauert das maximal und es geht ganz ohne Tricks und Steuerberater*in. Das Abzumelden übrigens auch. Ich fülle die Online-Maske aus, habe einen Sprachassistenten zur Wahl, wenn ich etwas nicht verstehe oder sogar eine persönliche Ansprechpartnerin vor Ort per Telefon, falls ich es nicht hinbekommen sollte. Da mein Schwedisch eingerostet ist, fülle ich alles auf Englisch aus und unterschreibe per E-Unterschrift. Wenige Stunden später erhalte ich die schriftliche Bestätigung, dass ich abgemeldet bin.
So einfach und effizient kann digitaler Bürger*innenservice aussehen – und das wird auch angenommen: Seit Schweden seine kommunale Verwaltung 2011 digitalisiert hat, hat die Nutzung des Onlineangebots stetig zugenommen. Über 80 Prozent der Schwed*innen, aller Altersgruppen, kommunizieren heute online mit den Ämtern. Sie erfragen Informationen online, laden Formulare runter und verschicken diese ausgefüllt wieder online. Das ist weit mehr als der Europäische Durchschnitt, der liegt zwischen 20-30%. Und nochmal: Das heißt nicht, dass es keine analogen Angebote mehr gibt, aber man muss nicht mehr aufs Amt gehen, um einen Ausweis, Auskunft oder andere Anliegen zu klären.
Genau das ist es, was wir vor 2 Jahren als unsere Vision festgehalten haben im Meta-Antrag zur neuen Digitalisierungsstrategie für Frankfurt festgehalten haben; eine nachhaltige, Bürger*innennahe, digitale Daseinsfürsorge der Zukunft zu organisieren. Mit allen Aushandlungen und Zwischenschritten, die der Status quo natürlich erfordern wird.
In einer modernen Informationsgesellschaft müssen sich Mitarbeiter*innen in der Verwaltung neu aufstellen und unterschiedliche Bedarfe miteinander abgewogen werden: Der Mensch steht immer im Zentrum. Die Technik soll helfen, dass man besser miteinander kommuniziert, gemeinsam Ressourcen bündelt, damit Technik flächendeckend eingeführt werden kann, aber auch einzelne Fachverfahren entsprechend abgebildet werden können. Die Verwaltung gibt sich mit dieser Rahmenstrategie digital eine neue Struktur. Unter diesen verpflichtenden Leitlinien werden Projekte und Prozesse smarter priorisiert und umgesetzt. Menschlicher Support oder Fortbildungen werden für Einheiten, die neue Wege gehen ebenfalls vorhanden sein, wie auch finanzieller Support neue technische Lösungen zu finden.
Die Strategie und ihr Beiwerk, die wir heute verabschieden, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft. Ich freue mich, dass wir heute nach fast 2 Jahren ämterübergreifenden Prozess, wo viele unterschiedliche Gruppen an Mitarbeiterinnen der Frankfurter Stadtverwaltung von einer Agentur dabei begleitet wurden, diese Rahmenstrategie der Digitalisierung Frankfurt 2.0 nun aufs Gleis bekommen haben. Ich denke das ist eine große Errungenschaft für die Stadt, auch wenn der Rahmen nun natürlich noch mit einem Gesamtbild gefüllt werden muss: Jetzt geht es an die Umsetzung, Anpassung der Teilstrategien und Implementierung bei dem das neue Transformation Office maßgeblich die Prozesse mitunterstützen soll.
Die kulturellen und technischen Transformationen auf den Ämtern werden sicherlich nicht ohne Hindernisse und Abwägungen ablaufen. Wie überall in der Umsetzung des OZG muss Frankfurts Stadtverwaltung, genauso wie die der Länder und des Bundes, zum Beispiel noch smarte Schnittstellen und Verfahren finden, um beim Einsatz der Technik unsere sieben Qualitätsmerkmale bestmöglich abzubilden: Ethik und Datenschutz, Transparenz und Souveränität zu wahren, Diskriminierung vorzubeugen, Gleichberechtigung zu fördern, Effizienz und Wirtschaftlichkeit, mit Nachhaltigkeit und Partizipation zu vereinbaren. Das werden die spannenden Aushandlungen in deutschen Verwaltungen sein. Das kann man auch aktuell ganz gut sehen:
Denn Technologie darf nicht zum Selbstzweck werden. Es geht nicht darum, alles Mögliche technisch Machbare einzuführen, sondern stets abzuwägen, was dem Gemeinwohl dient. Gerade hier muss klar betont werden, dass der Schutz der Freiheits- und Bürgerrechte ein zentrales Gut unserer Demokratie ist. Die Digitalstrategie, die wir heute beschließen, stellt sicher, dass der Einsatz von Technologie im Einklang mit ethischen Grundsätzen und dem Datenschutz steht. Wir setzen bewusst auf Transparenz, Partizipation und den Schutz der Bürger*innen – und eben nicht auf deren flächendeckende Überwachung oder den wirklich streitbaren Einsatz von Technologien wie Gesichtserkennung, wie sie gerade im Bund diskutiert werden.
Ich bin überzeugt, dass diese Digitalstrategie uns als Stadt nicht nur technologisch, sondern auch sozial und gesellschaftlich voranbringen wird. Sie gibt uns alle „Tools“ dafür und ermöglicht es uns, unser öffentliches Leben auf moderne Weise zu organisieren, ohne dabei grundlegende Werte wie Freiheit, Gleichheit und Teilhabe der Menschen, für die sie geschrieben wurde, zu gefährden.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich allen danken, mit denen wir die letzten 3 Jahre an dieser Strategie gearbeitet haben. Danke an dieser Stelle an alle, die daran mitgewirkt haben auf den Ämtern, in den Dezernaten, im Parlament und in der Zivilgesellschaft. Ich freue mich, dass ihr auch künftig mitarbeiten und die Strategie weiterentwickeln werdet!
Das bringt mich abschließend noch zum Antrag der CDU, den wir abgelehnt haben: Was wir an dem Antrag bedenklich finden, ist das Misstrauen – und ja, so muss man diesen Antrag lesen – den Sie der Verwaltung nach einem jahrelangen Prozess aussprechen, indem Sie meinen durch Micromanagement und Prüfungen in eine kontrollierende parlamentarische Aufsicht zu kommen. Dabei würde ich ganz persönlich schätzen, dass Sie doch ein ebenbürtiger Partner im Parlament sind? Genau wie die Verwaltung sich in den letzten Jahren digital auf den Weg gemacht hat, sind auch sie im Parlament aus dem „Dornröschenschlaf der analogen Welt“ erwacht. Sie beteiligen sich hier ebenso am Kulturwandel in der Arbeit, was wir durchaus honorieren. Ihr Antrag sendet da einfach das völlig falsche Signal. Wir kommen nur gemeinsam weiter! Fazit ist also: Was sie fordern haben wir schon beauftragt und ist bereits gelebte Praxis.
Ich freue mich auf die kommenden Jahre! Wir werden alle einen langen Atem brauchen. Der muss aber nicht aufgeregt sein, wissen auch die Schweden. Danke für ihre Aufmerksamkeit, „tack så mycket“.
Hier geht es zu der Vorlage, auf die sich die Rede bezieht.