Meine Einordnung der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst
Liebe Freund:innen,
wir Ihr vielleicht wisst, habe ich in meiner Funktion als Präsident des KommunalenArbeitgeberverbands Hessen (KAV) an allen drei Runden der Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst teilgenommen – die leider zunächst keinen Abschluss gefunden haben. Jetzt befinden wir uns in einer Art Zwischenzeit: Während die Schlichtungläuft, darf nicht gestreikt werden. Das gibt uns Gelegenheit durchzuatmen – und mir die Möglichkeit, Euch meine Einordnung zu den diesjährigen Verhandlungen zu geben.
Seitens der Gewerkschaften wird oft der Eindruck vermittelt, es liege an mangelnderWertschätzung oder gar Hartherzigkeit, dass die Arbeitgeberseite ihre Forderungen nicht vollständig übernimmt. Dem möchte ich entschieden widersprechen: Alle öffentlichen Arbeitgeber, mit denen ich spreche, sind sich der Bedeutung ihrer Mitarbeitenden sehr bewusst und die Wertschätzung ist hoch. Gerade wir bei der Stadt Frankfurt schöpfen den tariflichen Rahmen gegenüber unseren Mitarbeitenden so weit wie möglich aus. Zu den Vorteilen zählen neben der hohen Jobsicherheit im öffentlichen Dienst etwa Fahrrad-Leasing-Angebote, Jobtickets, weitgehende Home-Office-Regelungen oder vielfältige Arbeitszeitmodelle.
Um die Arbeit bei der Stadt attraktiv zu machen und die Arbeitsbelastung auf mehr Schultern zu verteilen, haben wir mit dem Doppelhaushalt 2024/2025 die Schaffung von 435 zusätzlichen Stellen ermöglicht. Mit der dynamischen Stellenbewirtschaftung und der unbefristeten Besetzung auch von Vertretungs- und Projektstellen haben wir zuletzt weitere innovative Schritte getan, um neues Personal zu gewinnen und das vorhandene an uns zu binden. Auch unsere Ausbildungskapazitäten haben wir stetig ausgebaut, zuletzt auf jährlich 250 Plätze für Auszubildende in der zentralen Ausbildung und duale Studierende.
Aber alle Kommunen leiden unter einem erheblichen Mangel an finanzieller Ausstattung, die wir gerne ändern würden, die wir aber zunächst berücksichtigen müssen. Alleine das geforderte Lohnplus von 8 Prozent, das sich durch die Mindestbeträge nach Arbeitgeberrechnung sogar auf rund 11 Prozent summiert, passt bei einer Inflationsrate von etwa 2 Prozent nicht in die Zeit. Die Mehrheit der Kommunen könnte allein diese Forderung aufgrund ihrer schwierigen Haushaltslage finanziell gar nicht umsetzen. Das gilt auch für die Forderung nach drei zusätzlichen freien Tagen für alle Beschäftigten und einem weiteren freien Tag für Gewerkschaftsmitglieder. Deren Einführung würde dazu führen, dass der Arbeitsdruck weiter steigt. Denn die Arbeitszeit würde zwar sinken, nicht aber die Aufgabenlast.
Es mangelt nicht an der Wertschätzung, sondern schlicht an den finanziellen Spielräumen; in anderen Städten noch mehr als bei uns. Wir haben in der dritten Verhandlungsrunde gute Fortschritte gemacht und haben uns als kommunale Arbeitgeber:innen auch deutlich bewegt. Leider sind die Verhandlungen dann aber trotz eines Extra-Tages am Ende nicht zum Ziel gekommen, obwohl ein Einigungskorridor mit Entgelterhöhungen über der Inflation sowie mit zusätzlichen Elementen für besonders belastete Bereiche diskutiert wurde.
Ich hoffe nun sehr, dass durch die Schlichtung ein Ergebnis gefunden wird, das von beiden Seiten guten Gewissens akzeptiert werden kann. Nach wie vor gilt: Die Arbeit am Gemeinwohl – und das ist Arbeit im öffentlichen Dienst – soll attraktiv und sinnstiftend sein. Das ist unser gemeinsames Interesse!
Euer Bastian