Sehr geehrter Herr Minister Wissing, sehr geehrte Bundestagsabgeordnete,
wir wenden uns an Sie, mit der Bitte, sich die Problematik um den L&uuml;ckenschluss zwischen der A661 und der A66, Bauabschnitt &bdquo;Riederwaldtunnel&ldquo;, noch einmal genauer anzusehen und bisherige Entscheidungen zu &uuml;berdenken. Wir sind der Auffassung, dass sich einige neue Gesichtspunkte ergeben haben, &uuml;ber die wir Sie hiermit in Kenntnis setzen wollen.
Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet Rodungsarbeiten in der Zeit von 1. M&auml;rz bis 30. September. Dieser allgemeine Schutz von Waldgebieten l&auml;uft nun in wenigen Tagen aus, ab 1. Oktober k&ouml;nnten theoretisch die B&auml;ume im Fechenheimer Wald gef&auml;llt werden. Wir halten es f&uuml;r wichtig diese F&auml;llarbeiten auszusetzen bis folgende Fragen gekl&auml;rt sind:
<ol>
<li>Heldbockk&auml;fer:</li>
</ol>
In dem von Rodungsarbeiten bedrohten Gebiet wurde &uuml;berraschend die nach Anhang IV der europ&auml;ischen Flora- und Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) streng gesch&uuml;tzte Art &bdquo;Eichen-Heldbockk&auml;fer&ldquo; festgestellt. Die Obere Naturschutzbeh&ouml;rde arbeitet derzeit an ei-ner fachlichen und rechtlichen &Uuml;berpr&uuml;fung dieses Sachverhalts. Wir halten es f&uuml;r dringend geboten, das Ergebnis dieser Pr&uuml;fung abzuwarten, bevor diese streng gesch&uuml;tzte Art durch Rodungsarbeiten in ihrem Lebensraum vernichtet wird. So weit bekannt, handelt es sich um das einzige Vorkommen dieser Art im Osten Frankfurts, so dass das Vorkommen eine be-sondere Bedeutung nach europ&auml;ischem Naturschutzrecht genie&szlig;t. Ein Versto&szlig; gegen euro-p&auml;isches Recht sollte unbedingt vermieden werden. Das betroffene Teilst&uuml;ck eines ur-spr&uuml;nglichen Eichen-Hainbuchenwaldes (FFH-Lebensraumtyp 01.121) zeichnet sich durch seinen Artenreichtum aus. Das Frankfurter Arten- und Biotopschutzkonzept hat seine "her-ausragende Bedeutung" mit der h&ouml;chsten vergebenen Bewertung hervorgehoben.
<ol start="2">
<li>Bechsteinfledermaus:</li>
</ol>
In dem Gebiet gibt es ein Vorkommen der ebenfalls streng gesch&uuml;tzten Bechsteinfleder-maus. Im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses wurden bestimmte Ma&szlig;nahmen zum Schutz der Bechsteinfledermaus vorgeschrieben. Unter anderem wurde vorgeschrieben, dass der Erfolg dieser Ma&szlig;nahmen &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum regelm&auml;&szlig;ig zu evaluieren ist. Nun ist es aber momentan noch so, dass die als Ersatz angebotenen Habitate und Fle-dermausk&auml;sten noch nicht angenommen werden und die Bechsteinfledermaus weiterhin in ihrem alten, nun von der Rodung bedrohten, Lebensraum lebt. Es w&uuml;rde einen Versto&szlig; ge-gen den Planfeststellungsbeschluss bedeuten, wenn die B&auml;ume jetzt schon gef&auml;llt w&uuml;rden, obwohl die vorgeschriebene Umsiedelung noch nicht erfolgreich war. Hier besteht die Ge-fahr, gegen Planungsrecht (Planfeststellungsbeschluss) zu versto&szlig;en und gegen europ&auml;i-sches Recht (FFH-Richtlinie). Diese Fragen sollten unbedingt rechtssicher gekl&auml;rt werden, bevor Rodungsarbeiten begonnen werden.
<ol start="3">
<li>Noch nicht erf&uuml;llte rechtliche Bedingungen zum L&auml;rmschutz</li>
</ol>
Im Planfeststellungsbeschluss wurde verankert: "Eine endg&uuml;ltige Inbetriebnahme der A 66 f&uuml;r den Individualverkehr erfolgt erst, wenn die notwendigen L&auml;rmschutzma&szlig;nahmen an der A 661 nach der hier vorliegenden schalltechnischen Unterlage 11a umgesetzt sind". Das Genehmigungsverfahren f&uuml;r die L&auml;rmschutzma&szlig;nahmen ist aber derzeit noch nicht abge-schlossen. Auch wenn allgemein davon ausgegangen wird, dass die ausstehenden Geneh-migungen rechtzeitig vor Fertigstellung des L&uuml;ckenschlusses erteilt sind und auch die Um-setzung dann noch rechtzeitig erfolgen wird, ist es doch juristisch fragw&uuml;rdig, auf Grund-lage des vermuteten Ausgangs eines rechtsstaatlichen Genehmigungsverfahrens bereits jetzt unwiederbringlich Fakten zu schaffen, f&uuml;r ein Projekt, dessen Inbetriebnahme bei ne-gativem Ausgang des genannten Genehmigungsverfahrens nicht zul&auml;ssig w&auml;re.
<ol start="4">
<li>Beschleunigung der Klimakrise und h&ouml;chstrichterliche Rechtsprechung zur Einhaltung des Klimaschutzgesetzes</li>
</ol>
Das Jahr 2022 war weltweit gepr&auml;gt von einer massiven Zuspitzung der Klimakrise. Auch Deutschland war, wie ganz Europa, extrem von Hitze und D&uuml;rre betroffen. Es ist allgemein anerkannt, dass Gegenma&szlig;nahmen gegen den Klimawandel erforderlich sind und wir nicht einfach so weiter wirtschaften k&ouml;nnen wie bisher. Diese Erkenntnis schl&auml;gt sich auch in der aktuellen Rechtsprechung nieder. H&ouml;chstrichterliche Entscheidungen zur Einhaltung des Klimaschutzgesetzes sind zu ber&uuml;cksichtigen, ebenso Artikel 2a des Grundgesetzes.
<ol start="5">
<li>Politische Neubewertung im Hinblick auf die Klimakrise</li>
</ol>
Die neue Autobahnverbindung k&ouml;nnte fr&uuml;hestens im Jahre 2031 eingeweiht werden. Ange-sichts der Klimakrise muss aber davon ausgegangen werden, dass bis zu diesem Zeitpunkt l&auml;ngst massive Richtungs&auml;nderungen in der Mobilit&auml;tspolitik notwendig geworden und auch umgesetzt worden sind. Grunds&auml;tzlich wird eine neue Mobilit&auml;tspolitik bereits heute von allen relevanten Parteien versprochen. Von allen relevanten Parteien wird versprochen, dass ein Ausbau der &Ouml;ffentlichen Verkehrsmittel erfolgen soll, ebenso ein Ausbau des Rad-verkehrs, eine F&ouml;rderung des Fu&szlig;verkehrs und insgesamt eine Ver&auml;nderung des Modal Split dergestalt, dass weniger Auto gefahren wird. Wenn wir davon ausgehen, dass diese Ver-sprechen ebenso wie die vertraglichen Verpflichtungen der Bundesregierung im Zusam-menhang mit einer Reduktion des CO2-Aussto&szlig;es ernst gemeint sind, d&uuml;rfen wir davon ausgehen, dass der Autoverkehr in den 2030iger Jahren dieses Jahrhunderts deutlich gerin-ger geworden sein wird. Damit w&auml;re die Investition in dieses gigantische Stra&szlig;enbauprojekt aber eine Fehlinvestition. Das Geld wird an anderer Stelle dringender gebraucht.
In diesem Zusammenhang m&ouml;chten wir Sie daran erinnern, dass bei der Emissionseinspa-rung im Verkehrssektor noch erheblicher Nachholbedarf besteht, wie die Reaktionen auf das Klimaschutz-Sofortprogramm gezeigt haben. Gleicherma&szlig;en m&ouml;chten wir auf den Ko-alitionsvertrag von SPD, GR&Uuml;NEN und FDP verweisen, in dem ein Dialogprozess mit Inte-ressensverb&auml;nden zur Bedarfsplan&uuml;berpr&uuml;fung mit ver&auml;nderten Priorit&auml;ten &uuml;ber laufende Projekte festgeschrieben ist. Dieser sogenannte Infrastrukturkonsens muss endlich auf den Weg gebracht werden und stellt eine wichtige S&auml;ule in der notwendigen &Uuml;berarbeitung des Bundesverkehrswegeplans dar. Auch in dieser Hinsicht w&auml;re das Moratorium f&uuml;r den Rie-derwaldtunnel ein guter Startpunkt.
<ol start="6">
<li>Gestiegene Baukosten</li>
</ol>
Die Baukosten f&uuml;r den Bau des Riederwaldtunnels laufen gerade aus dem Ruder. Aus den bisher gesch&auml;tzten 470 Millionen wurden bei genauerer Betrachtung, wie k&uuml;rzlich ver&ouml;ffentlicht, 600 Millionen. Die Hessenschau zitierte den Professor f&uuml;r Baumanagement der TH Mittelhessen, Herrn Meyer-Abich, mit der Einsch&auml;tzung, dass die Kosten bis Ab-schluss des Projekts auf eine Milliarde ansteigen k&ouml;nnten.
Das Projekt sollte aus den genannten Gr&uuml;nden unbedingt noch einmal unter den neuen Ge-sichtspunkten &uuml;berdacht werden. Wir bitten darum dringend, dass die Bundesregierung die obigen Punkte im Rahmen eines Moratoriums gr&uuml;ndlich &uuml;berpr&uuml;ft. Die Stadt Frankfurt hat keinen Einfluss mehr auf das Projekt. Die Bundesregierung hat das alleinige Baurecht und nur die Bundesregierung entscheidet &uuml;ber den Baubeginn. Deswegen wenden wir uns mit diesem Schreiben an Sie, Herrn Wissing, als Bundesverkehrsminister, und an die Fraktionen der Regierungskoalition im Deutschen Bundestag.
Nur Sie k&ouml;nnen hier noch steuernd eingreifen. Es ist Ihre Verantwortung, Schaden von unse-rer Gesellschaft abzuwenden. Bitte setzen Sie mindestens ein einj&auml;hriges Moratorium oder wenn n&ouml;tig l&auml;nger durch, damit &uuml;ber das Projekt unter den aufgezeigten Gesichtspunkten noch einmal &uuml;berpr&uuml;ft werden kann.
Mit freundlichen Gr&uuml;&szlig;en
Die GR&Uuml;NEN Frankfurt &ndash; Parteivorstand
Die GR&Uuml;NEN im R&ouml;mer &ndash; Fraktionsvorstand

Bau des Riederwaldtunnels in Frankfurt – Bitte um ein Moratorium

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