Sich gemeinsam Patriarchat entgegenstellen
Liebe Freund*innen,
Jedes Jahr, wenn der Weltfrauentag / der feministische Kampftag ansteht, machen sich verschiedene Gefühle in meinem Bauch breit. Zum einen freue ich mich sehr auf diesen Tag, der nur uns FINTA’s (Frauen, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen) gehört. Auf den Veranstaltungen, den Kundgebungen und Demos fühle ich mich sicher. Ich fühle mich empowert, weil ich plötzlich sehe, wie viele Menschen gemeinsam mit mir jeden Tag für Gleichberechtigung kämpfen.
Neben den alltäglichen Herausforderungen, denen ich privat, in meiner Promotion und meinem Ehrenamt begegne, bin ich allerdings immer und zu jedem Zeitpunkt auf der Hut. In mir wirbeln stets verschiedene Fragen im Kopf: Sollte ich mich noch mehr anstrengen, weil ich stets auf mein Frausein reduziert werde und daher meine Leistungen nur halb so viel zählen? Wenn ich meinem Gegenüber jetzt sage, dass er sich misogyn verhalten hat, ist er dann sauer auf mich? In diesem Meeting sind nur Männer – wie schaffe ich es jetzt, mich in das Gespräch zu integrieren? Kannst du mir bitte Bescheid geben, wenn du gut daheim angekommen bist?
Es kostet uns FINTAs so unglaublich viel Energie und Zeit, sich tagtäglich dem Patriarchat entgegenzustellen. Und dabei rede ich noch nicht mal von der Zeit, die wir kostenlos in Care-Arbeit stecken, die unliebsamen Aufgaben, die wir auf der Arbeit und im Ehrenamt übernehmen, weil wir nicht Nein sagen wollen, um bloß nicht negativ aufzufallen. Oder dass wir am besten gar nicht erst erwähnen, dass wir aufgrund unserer Periode gerade Rückenschmerzen, Bauchkrämpfe und Blähungen haben und psychisch in einer Achterbahn sitzen.
Und dennoch müssen wir als Teil des Systems funktionieren. Das Ironische am Patriarchat und dem Kapitalismus ist, dass sie sich an unserer unbezahlten Care-Arbeit und den mies bezahlten „Frauenberufen“ erfreuen (also die Berufe, die unser komplettes Gesundheits-, Pflege und Betreuungssystem aufrechterhalten), und uns dadurch Anerkennung und gerechte Entlohnung vorenthalten werden. Würden wir FINTAs für eine Woche all unsere bezahlte und unbezahlte Arbeit niederlegen, nichts mehr würde funktionieren.
Am vergangenen Samstag fand unsere erste Frauenvollversammlung in diesem Jahr statt. Wir hatten zum Thema „Frauen und Arbeit“ inspirierende Frauen eingeladen und deren Input mündete schließlich in einem dreistündigen Austausch. Mir wurde während dieser Diskussion wieder sehr bewusst, wie weit entfernt wir von Gleichberechtigung sind. Aber auch wenn die Liste an Herausforderungen für FINTA in der Arbeitswelt sehr lang ist, so hat mir dieser Austausch mit euch wieder Kraft gegeben. Es war wirklich empowernd zu sehen, dass jede Person im Raum ihre Erfahrungen teilen konnte und statt entnervten Gesichtsausdrücken mutmachende Worte und Tipps ausgetauscht wurden. Auch wenn ich mich oft kraftlos fühle, wenn ich an den Weltfrauentag denke: diese Veranstaltung hat mir wieder Hoffnung und Mut gegeben.
Eines ist mir am Samstag aber auch wieder deutlich vor Augen geführt worden: ohne eure Unterstützung liebe cis-Männer da draußen schaffen wir den Kampf gegen das Patriarchat und die Kontinuitäten der Mehrfachdiskriminierungen nicht. Wir brauchen euch, die in Diskussionen die Kollegen darauf hinweisen, dass Sexismus weder am Arbeitsplatz noch im Privatleben etwas zu suchen hat. Es wäre für uns so viel angenehmer einen Raum zu betreten, in dem wir nicht noch den Kampf um die Hälfte der Redezeit oder überhaupt unseren Platz in der Diskussion kämpfen müssen. Es wäre so schön, nicht immer diejenige zu sein, die darauf hinweist, dass auch die Podien bei uns in der Partei paritätisch besetzt werden sollen.
Ja, das bedeutet auch, dass ihr öfters zwei Schritte in den Hintergrund treten müsst. Aber ich kann euch etwas versprechen: das tut nicht weh. Ganz im Gegenteil – ihr werdet euch ziemlich gut fühlen, denn ihr seid zum Verbündeten, zum Ally von uns FINTA’s geworden.
In diesem Sinne – happy feministischer Kampftag!
Eure Kathi