Rede zur Wahl von Dr. Markus Gwechenberger zum Planungsdezernenten der Stadt Frankfurt
,,Die Herausforderungen für die Stadtplanung waren schon in den vergangenen Jahren hoch – das zeigen nicht zuletzt die vielen Diskussionen, die wir in den Ausschüssen und der STVV darüber geführt haben und auch weiterhin miteinander führen werden.
Denn: die Stadt Frankfurt ist weiterhin für viele Menschen attraktiv und wächst. Mit diesem Wachstum verbunden sind Fragestellungen wie die folgenden:
- Wo kann eine sozial und ökologisch verträgliche Nachverdichtung stattfinden?
- Wo und wie können wir es rechtfertigen, in der Außenentwicklung wertvolle Böden zu versiegeln und wie können wir sicherstellen, dass moderne und zukunftsfähige Quartiere entstehen?
In der Wohnungspolitik spielt zudem die Frage eine zentrale Rolle, wie wir bezahlbaren Wohnraum schaffen und erhalten können, also: wie können wir den vielen Menschen, die ein Anrecht auf eine sozial geförderte Wohnung hätten, ausreichende und faire Angebote machen?
Wie verhindern wir, dass einige Gruppen – zum Beispiel Menschen mit geringem Einkommen, junge Familien – aus der Stadt verdrängt werden?
Über viele Jahre hinweg waren Immobilien außerdem eine beliebte Anlage-Kategorie – und wir mussten in diesem Zuge viele Fälle beobachten, in denen Mieter*innen schikaniert wurden, um sie um jeden Preis aus ihren Wohnungen zu verdrängen. Das können und wollen wir als Koalition nicht hinnehmen, meine Damen und Herren!
Amtszeit Mike Josef
Mit diesen Problemen hat sich daher auch der scheidende Planungsdezernent, der heutige Oberbürgermeister Mike Josef und sein Team – darunter auch mit maßgeblichem Anteil Dr. Gwechenberger - in den vergangenen Jahren erfolgreich auseinandergesetzt und hat dabei auch wichtige Vorhaben unserer vorherigen und aktuellen Koalition vorangetrieben, um auf das Wachstum der Stadt zu reagieren:
- mit dem Baulandbeschluss haben wir eine verbindliche Regelung vereinbart, damit bei allen Vorhaben, bei denen die Stadt neues Planungsrecht schafft, auch ein größerer Anteil von gefördertem Wohnraum entstehen kann und immer auch Flächen für gemeinschaftliches und genossenschaftliches Wohnen bereitgestellt werden müssen.
- mit dem ISTEK wurde ein integriertes Stadtentwicklungskonzept beschlossen, das das Wachstum der Stadt in Bahnen lenkt und durch dessen Leitprojekte eine verträgliche Entwicklung sichergestellt werden kann.
- mit der Stabstelle Mieter*innenschutz ist eine Stelle entstanden, die schon vielen Hausgemeinschaften zur Seite stehen konnte, die von Entmietungspraktiken und Verdrängung betroffen waren.
Einige weitere Projekte möchte ich als Auszug exemplarische aus den letzten Jahren nennen:
- Durch die Entwicklung von Flächen wie zum Beispiel dem Schönhofviertel und dem Rebstock-Areal bis zur Baureife wurde auf den dringenden Wohnungsbedarf reagiert, indem brachliegende Gewerbeflächen reaktiviert wurden.
- Mit Projekten wie dem Hilgenfeld konnte unter Anwendung des Baulandbeschlusses gezeigt werden, wie eine zeitgemäße Planung für die Entwicklung von nachhaltigen Quartieren im Außenbereich aussehen kann.
- Für den „Stadtteil der Quartiere“ wurden wichtige Grundlagen geschaffen, um auch in einigen Jahren noch auf das Wachstum der Stadt reagieren zu können und dabei sicherzustellen, dass wir als Kommune den Zugriff auf die Flächen haben und sie mit günstigem Wohnraum entwickeln können.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Beteiligten – also OB Mike Josef, seinem tollen Dezernats-Team und den beteiligten Ämtern – herzlich für ihr Engagement bedanken.
Und damit komme ich zum Blick in die Zukunft, unsere Vorschusslorbeeren und unsere Erwartungen an Prof. Dr. Gwechenberger
Unseren Ansprüchen an Stadtentwicklung gerecht zu werden, ist in den letzten Monaten und Jahren leider noch schwieriger geworden, denn die Herausforderungen für den Wohnungsbau sind massiv gestiegen:
- die Zinsentwicklung hat eine nie dagewesene Preissteigerung für Bodenwerte und Immobilien ausgelöst (und auch wenn die EZB jetzt die Zinsen nun wieder steigen lässt: auf das Preisniveau von vor einigen Jahren werden wir nicht mehr zurückkehren)
- und auch gestörte Lieferketten sowie gestiegene Energiepreise haben die Baukosten massiv ansteigen lassen
Auf einen steigenden Bedarf trifft heute also eine kaum zu deckende Nachfrage. Viele Wohnungsunternehmen trauen sich aktuell zudem nicht mehr an neue Bauprojekte und verschieben die Umsetzung fertiger Planungen.
Aber auch zu entwickelnde Flächen werden zunehmend knapper und grade das Potential für Konversionsflächen ist sehr klein geworden. Die Anforderungen an die Stadtplanung sind vielfältig wie nie und müssen neben der Wohnungskrise auch Klima- und Biodiversitätskrise gerecht werden. Wir brauchen nicht nur mehr Wohnungen und Raum für Gewerbe, sondern auch mehr Grünflächen, um unseren Nachkommen eine klimaangepasste und lebenswerte Stadt zu hinterlassen.
Die künftige Stadtentwicklung wird sich also noch viel stärker mit dem Bestand auseinandersetzen müssen. Simple Rezepte wie „bauen, bauen, bauen“ funktionieren nicht - stattdessen müssen wir eine kleinteilige „Umbaukultur“ einläuten, in der wir die bereits gebaute Stadt mit all ihren Stärken und Schwächen klimaangepasst und klimaneutral zu einer lebenswerten und gerechten Stadt der kurzen Wege weiterentwickeln. Das ist keine kleine Aufgabe, sondern eine der ganz großen Herausforderungen unserer Zeit.
Dass sich die SPD in dieser Situation entschieden hat, einen erfahrenen Experten wie Marcus Gewechenberger als neuen Planungsdezernenten zu nominieren, freut uns daher sehr.
Planungspolitik überblickt weite Horizonte. Die Projekte, über die wir heute sprechen, wurden schon vor langer Zeit begonnen. Projekte, die heute angestoßen werden, kommen erst in vielen Jahren zum Tragen. Es braucht viel Erfahrung, um zu erkennen, wo man Planungen noch mal überarbeiten sollte und wo man auch mal ein Projekt eines Vorgängers verteidigen muss, als wäre es das eigene, weil die Entwicklung dringend benötigt wird.
Es braucht viel Geschick, um in Verhandlungen mit der Immobilienwirtschaft erfolgreich die Interessen der Stadt zu vertreten. Es braucht viel Ideenreichtum und Offenheit, um in der heutigen, schwierigen Situation Stadtplanung zu betreiben. Wir glauben, dass Herr Dr. Gwechenberger diese Eigenschaften mitbringt und die Ziele unserer Koalition umsetzen kann.
Es ist kein Geheimnis, dass die GRÜNEN besonders bei ökologischen Abwägungsfragen manchmal zu anderen Ergebnissen kommen als andere Fraktionen und Parteien. Dabei machen wir es uns nicht leicht. Wir kennen Dr. Gwechenberger bereits heute als fairen Partner, um gemeinsam Lösungen für schwierige Fragestellungen zu finden und haben das Vertrauen darauf, dass uns das auch künftig miteinander gelingen wird. Dabei werden uns die Themen sicher nicht ausgehen, denn sowohl die Projektliste des Stadtplanungsamts als auch der Koalitionsvertrag, an dessen Umsetzung wir auch Herrn Dr. Gwechenberger gebunden sehen, bieten dafür reichlich Material.
Die letzten Befragungen des Amts für Statistik („Leben in Frankfurt 2022“) haben wieder einmal gezeigt, dass keine Frage die Menschen in unserer Stadt so sehr umtreibt wie die des Wohnens. Wir sehen die Koalition mit Herrn Dr. Gwechenberger gut gerüstet, um diese Frage so gut es geht so zu beantworten, dass weder soziale noch ökologische Aspekte hinten runterfallen und freuen uns auf seine Impulse und eine gute Zusammenarbeit!"