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Wir lehnen die Einführung einer Bezahlkarte ab

Mittwoch, 24.4.2024

Die Kreismitgliederversammlung beschließt:

Wir lehnen grundsätzlich die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber*innen (und anderen Empfänger*innen von Sozialleistungen), die sich in ihrer Funktionalität maßgeblich von einer Girocard unterscheidet, ab.

Im Bezug auf die konkrete Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber*innen in Frankfurt am Main stellen wir fest, dass sie im besten Fall überflüssig ist und im schlimmsten Fall neue sozialpolitische, technische und administrative Probleme schafft.

Sollte die Bezahlkarte wider Erwarten eine Erleichterung für die Frankfurter Verwaltung und einen wirksamen Schritt in Richtung Digitalisierung darstellen, sprechen wir uns für eine diskriminierungsarme Umsetzung der Karte aus. Wir wollen unsere kommunalen Handlungsspielräume nutzen, um den Einsatz der Karte zur tatsächlichen Entlastung der Verwaltung und ohne Einschränkung der Selbstbestimmung und Flexibilität der Nutzer:innen zu gestalten. Z.B. kommt aus unserer Sicht eine Bezahlkarte nur für Menschen infrage, die noch nicht über ein Girokonto verfügen. Wir halten weiter an den Grundsätzen des Sozialrechts fest, dass Menschen eigenverantwortlich handeln und damit selbst entscheiden sollen, welchen Teil ihres Bargeldes sie wofür ausgeben. Dem fühlen wir uns in Frankfurt stets verpflichtet.

Wir lehnen insbesondere die folgenden öffentlich diskutierten Einschränkungen ab:

- Einschränkung der Persönlichkeitsrechte durch Nutzung der Daten für andere Zwecke als die Abwicklung des Zahlungsverkehrs

- Begrenzungen und Gebühren bei Bargeldabhebungen

- Einschränkung von Warengruppen

- Geographische Einschränkungen der Nutzung

- Einschränkung von Online-Zahlungen und Überweisungen

- klare optische Unterscheidbarkeit von anderen Bezahlkarten

Wir befürworten stattdessen Maßnahmen, die tatsächlich die Situation der Verwaltung und der Geflüchteten selbst verbessern. Zu diesen zählen unter anderem eine gute und möglichst einfache Eingliederung in angemessen bezahlte Beschäftigung, die Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen, die Vermittlung in bezahlbaren Wohnraum sowie die Bereitstellung von genügend Kapazitäten für Sprachkurse.

Begründung:

Die Einführung einer Bezahlkarte, die die Auszahlung von Barleistungen an Asylbewerber*innen ersetzen soll, wird derzeit von 14 Bundesländern angestrebt. Unter ihnen ist auch Hessen.

Die Idee der Bezahlkarte basiert auf einem grundsätzlichen Misstrauen und Vorurteilen gegenüber Asylbewerber*innen. Der Vorwurf der systematischen Zweckentfremdung der Barleistungen (bspw. durch Überweisungen in Heimatländer) lässt sich jedoch wissenschaftlich nicht erhärten [1]. Auch einen fahrlässigen Umgang mit den zur Verfügung gestellten Mitteln lässt sich nicht beobachten. Grundsätzlich gilt für Asylbewerber*innen das Gleiche wie für alle Menschen in Armut: nirgendwo ist ein effizienterer Umgang mit Geld zu beobachten.

Als weitere Begründung für die Einführung werden immer wieder die sogenannten Pull-Faktoren angeführt. Menschen fliehen vor Krisen, Krieg oder Verfolgung, allen voran aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei. Es gibt keine sachlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung zur Flucht dadurch beeinflusst wird, ob es im Aufnahmeland Geld, Gutscheine oder Bezahlkarten zum Überleben gibt. Und es existieren auch keine Belege dafür, dass eine Sachleistungsversorgung und ein Absenken der Sozialleistungen zu weniger Geflüchteten führt [2].

Als Argument für die Bezahlkarte wird auch oft die Vereinfachung von Auszahlungen der Leistungen für die Kommunen genannt. Auch könne eine Bezahlkarte im Sinne einer Girocard auch für Geflüchtete selbst eine Vereinfachung darstellen. Dies setzt allerdings voraus, dass es eine uneingeschränkte Nutzbarkeit gewährleistet ist und die Karte auch optisch nicht von einer Girocard zu unterscheiden ist. Im medialen Diskurs, auf Bundesebene sowie in Hessen sind wir von dieser Ausführung jedoch weit entfernt. Stattdessen werden allerlei Wege diskutiert, Asylbewerber*innen zu gängeln. Unter anderem werden geographische Beschränkungen, Begrenzung von Bargeldabhebung und Beschränkungen auf bestimmte Produktkategorien und Branchen diskutiert. Für diese Ansätze gibt es keine andere Erklärung als rassistische Vorurteile und ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Menschen in prekären Verhältnissen. Sie sprechen diesen Menschen ihre Mündigkeit ab. In diesem Kontext erscheint uns nur eine Ablehnung der Vorstöße als sinnvoll, sollte nicht auf sämtliche Einschränkungen verzichtet werden.

Im konkreten Fall Frankfurt am Main geht die Einführung der Bezahlkarte sogar mit einer Reihe von sozialpolitischen, technischen und administrativen Fragestellungen und Problemen einher.

Tatsächlich ist es in Frankfurt so, dass der Großteil aller Menschen im Bezug von Asylbewerberleistungen bereits über Girokonten bzw. EC-Karten verfügt. Die Einführung einer weiteren Karte ist an dieser Stelle daher weder schlüssig noch stellt sie eine Erleichterung für die Verwaltung dar.

Menschen im Bezug von Asylbewerberleistungen soll mit der Bezahlkarte die Möglichkeit genommen werden, selbstständig Überweisungen zu tätigen. Da die Bezahlkarte auf einer virtuellen IBAN basieren soll, könnte in diesem Fall auch die Verwaltung keine sonstigen Überweisungen an die Nutzer:innen tätigen. Damit müsste das Frankfurter Jugend- und Sozialamt auch weiterhin Überweisungen für Miete, Strom, Sportvereine, Telefonrechnungen, Fahrtkarten u.v.m. vornehmen und die Geldströme der Menschen aufwändig verwalten. Auch dies würde für die Verwaltung keineswegs eine Erleichterung darstellen.

Derzeit ist es völlig unklar, wer für das Management der Karte z.B. im Hinblick auf Verlust, Sperrung, Technikfragen und Missbrauchsmeldungen zuständig sein wird. Bei der bereits herrschenden Auslastung der kommunalen Verwaltung ist die Bewältigung dieser Aufgaben für die Kommune nicht ohne zusätzlichen Aufwand leistbar.

Auch kann die Kommune nicht dafür Sorge tragen, Vertragspartner:innen für die Akzeptanz der Karte zu gewinnen, Verträge auszuhandeln und sicherzustellen, dass Geschäfte die Bezahlkarte tatsächlich anerkennen.

Der Einsatz der Bezahlkarte soll mit einer einschlägigen Reduzierung des zur Verfügung gestellten Bargeldbetrags einhergehen. Besitzer:innen sollen nicht mehr frei über Bargeld verfügen können und müssen ihr Taschengeld noch besser einteilen und planen. Es ist absehbar, dass dies im Alltag zu diversen Engpässen für die Nutzer:innen führen wird. Es ist jedoch der originäre Auftrag der Sozialbehörden Menschen in Notsituationen, insbesondere in Fragen rund um ihre Liquidität, zu unterstützen. Mit der Reduzierung des zur Verfügung gestellten Bargeldbetrags ist der Anstieg von Beschwerdefällen, die das Jugend- und Sozialamt bearbeiten muss, praktisch vorprogrammiert und würde eine zusätzliche Belastung bedeuten.

Aus all diesen Gründen sollte die Bezahlkarte grundsätzlich, aber auch insbesondere in Frankfurt am Main abgelehnt werden.

Der Antrag wurde bei wenigen Enthaltungen einstimmig beschlossen.