Rede zur Erhöhung der Quoten sozial geförderter Wohnungen bei der ABG in der Stadtverordnetenversammlung am 02.11.2023
Sehr geehrte Frau Vorsteherin, liebe Kolleg*innen,
die Koalition hat sich mit ihrem Antrag, der heute diskutiert und verabschiedet wird, auf den Weg gemacht, ein wichtiges Vorhaben ihres Koalitionsvertrags umzusetzen um den dringenden Bedarf an Wohnungen für die vielen Frankfurter*innen, die sich nicht auf dem freien Markt versorgen können, künftig besser zu bedienen. Dazu haben wir bereits im Planungsausschuss diskutiert und zahlreiche Äußerungen in den Medien vernommen. Mit Sicherheit werden Sie auch gleich noch einiges aus der Opposition dazu hören, wie angeblich verkehrt wir die Sache angehen würden.
Es ist schon interessant, welche Reaktionen es provoziert, wenn versucht wird mehr politischen Einfluss auf die ABG auszuüben. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft zu Vorgaben zu verpflichten, die den sozialen Interessen der Frankfurter*innen nutzen sollen.
Schon vor der Einführung des Mietenstopps 2016 wurde von vielen Seiten befürchtet, die ABG könne sich dies nicht leisten, die Bautätigkeiten und Investitionen in den eigenen Bestand würden einbrechen… Und was ist in den Folgejahren passiert? Bis zum Jahr 2020 konnte die ABG Jahresüberschüsse erwirtschaften, die an die 100 Millionen € heranreichen, nach Corona wurde es etwas weniger, im Geschäftsbericht des letzten Jahres sind 78,6 Millionen € ausgewiesen. Ich will damit nicht kleinreden, dass der heutige Beschluss Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der ABG haben wird, gerade in Zeiten, in denen der Bauboom vorbei ist und wir dafür sorgen müssen die Bautätigkeit zu erhalten. Aber wir haben doch als Stadt gestalterischen Spielraum bei der ABG und können die finanziellen Auswirkungen von politisch notwendigen Beschlüssen beeinflussen.
Die Frage, die wir uns heute einmal stellen sollten, ist: welche Aufgabe hat eine kommunale Wohnungsgesellschaft und wie stellen wir sicher, dass sie diese auch erfüllen kann?
Die ABG ist nun mal kein privates Unternehmen, liebe CDU, das man auf dem Wohnungsmarkt behandeln kann und sollte, wie jedes andere. Und es ist ja auch nicht so, als würden wir die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag 2021 versuchen mit allen Mitteln durchzudrücken.
Zweifelsohne muss in der derzeitigen Situation den Stimmen aus der Baubranche Gehör geschenkt werden, damit wir wieder zu einer erhöhten Bautätigkeit kommen. Man darf aber auch nicht den Fehler machen, jegliche Zielvorgaben zu verteufeln. Der Markt braucht Leitplanken. Und diese setzen wir mit der kommunal erhöhten Quote von 60 % an geförderten Wohnungen, davon 40 % im ersten Förderweg.
Nicht nur haben 68% aller Menschen, die in Frankfurt zur Miete leben, darauf Anspruch. Nicht nur befinden sich über 21.000 Menschen auf der Warteliste des Wohnungsamtes, die eine Sozialwohnung suchen. Nein, man darf auch nicht vergessen, dass beim Mietentscheid 25.000 Bürger*innen unterschrieben haben für eine solche, soziale Wohnungspolitik. Auch wenn die Koalition eine 100%-ige Sozialwohnungsquote nicht befürwortet, so muss man doch sagen, dass den Aussagen von Hr. Junker, man würde – Zitat – „durch eine zu starke Konzentration auf Sozialwohnungen eine Ghettoisierung wie in den 1970ern hervorrufen“ - Zitat Ende -, heftigst wiederversprochen werden muss. Wenn über 2/3 der Frankfurter Miethaushalte Anspruch auf eine sozial geförderte Wohnung haben, ist das Problem in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und allein dadurch hat man eine sog. Durchmischung, die von Hr. Juncker leider in Abrede gestellt wurde. Ich halte auch nichts davon, diejenigen, die eine Sozialwohnung brauchen, gegen diejenigen, auszuspielen, die nicht in die entsprechenden Fördergrenzen fallen. Die Zahlen rechtfertigen jedoch unseren Fokus und es ist die Verantwortung der ABG, diejenigen mit Wohnraum zu versorgen, die sich am regulären Wohnungsmarkt nicht versorgen können.
Unseren Blick über die Anspruchsberechtigen für eine sozial geförderten Wohnung hinaus, beweisen wir auch durch die Manifestierung der 15% für gemeinschaftliche und genossenschaftliche Wohngruppen. Sie sind innovativ und schaffen langfristige Preisstabilität, benötigen aber Unterstützung, um sich gegenüber konventionellen Bauträger*innen durchsetzen zu können. Unser Engagement in dieser Sache haben wir auch bereits durch Etatanträge unter Beweis gestellt.
Wichtig ist aber auch, die neue 5% Quote für Studierende, Auszubildende und weitere Personen mit dringendem Wohnungsbedarf. Wir wollen ein Azubi-Werk gründen, Housing-First-Projekte durchführen und Geflüchtete angemessen unterbringen. Für all das braucht es feste, planbare Kontingente an geförderten Wohnungen.
Die Sozialdezernentin kann davon ein oder sogar mehrere Lieder singen. 86 Geflüchtete pro Woche bis zum Jahresende, eine lange Unterkunft in Notunterkünften eigentlich keine Option und doch bittere Realität. Die Chancen von Geflüchteten auf dem freien Markt sind aufgrund der Stigmatisierung sowieso gering.
Dazu kommen die Studierenden. Hier fehlen 3.100 Wohnungen. Für eine 20-30 qm Wohnung in Uni Nähe muss inzwischen 500-700 € warm gezahlt werden, laut dem aktuellen Studentenwohnreport eine Steigerung von 6,2 % gegenüber dem Vorjahr. Insbesondere die Abschläge für Heizkosten haben sich erhöht und liegen bei 4€ für den Quadratmeter und die Zahl der Inserate stieg nicht etwa an, sondern ging um 4% zurück. Derweil stagniert das studentische Einkommen und der Höchstsatz der BaFög-Wohnpauschale von 360 € reicht bei weitem nicht. Das führt dazu, dass Studierende gerade zu Semesterbeginn immer mehr in die Armut rutschen. Das dürfen wir nicht zulassen und dürfen daher Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.
Wieso skizziere ich die Bedarfe so im Detail? Weil wir derzeit oft darüber reden, wie wir soziale Problemlagen lösen und die Lebenssituation der Menschen konkret verbessern können, damit sie nicht Rechtspopulist*innen und Rechtsextremist*innen in die Hände fallen. Ich möchte deshalb zu meiner Anfangsfrage zurückkommen, wie versetzen wir die ABG in die Lage die erhöhten Quoten und die vielfältigen Bedarfe abzudecken?
Was wir dringend tun müssen, sind die Fördermittel und Förderrichtlinien des 1. und 2. Förderwegs anzupassen und nach meiner Kenntnis sollen die Vorlagen bis Jahresende eingebracht werden.
Herr Junker hat nun ja schon in der Presse verlautbart, dass derzeit Berechnungen angestellt werden, was nach Auffassung der ABG der Fehlbetrag wäre, um unsere Forderungen zu erfüllen. Dies betreffe sowohl die Summe als auch die Einzelkonditionen. Das würde ich gerne abwarten wollen und dann bewerten, was wir als Stadt dazugeben. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass eine städtische Beteiligungsgesellschaft durch eine Kapitalerhöhung bei ihren Aufgaben unterstützt wird und gerade in der Wohnungsfrage ist das Agieren der öffentlichen Hand zentral. Ein Abrücken von der Beschlusslage wird es allerdings nicht geben, das kann ich schonmal verkünden.
Gerne hätten wir vor dem heutigen Tag produktive Gespräche mit der ABG darüber geführt, wie sie die Ziele der Koalition erreichen kann. Leider dachte man dort wohl, man könne das Thema aussitzen. Das können wir uns aber nicht leisten.
Mit dem heutigen Tag bekunden wir unseren politischen Willen, die Details werden später ausgearbeitet, denn der Magistrat wird beauftragt, einen Gesellschafterbeschluss vorzubereiten. Zu klären wäre dabei, ab welcher konkreter Frist der Beschluss Anwendung befindet und ob tatsächlich Wohnungen oder doch die Bruttogrundfläche Wohnen, wie es auch im Baulandbeschluss geschehen ist, die relevante Größe darstellt.
Mit ihren 54.000 Wohnungen ist die ABG bereits heute ein Akteur, der in großem Umfang Sozialwohnungen baut. Diese Rolle wollen wir stärken und darin sehen wir die Verantwortung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Man muss aber auch ins Verhältnis setzen, dass sie unter ihren Artgenossen eine derjenigen mit dem höchsten Umsatz ist.
Selbstverständlich gehört mehr zur Geschäftspolitik der ABG als die Quoten anzupassen. Zum einen werden wir noch darüber diskutieren, ob zukünftig unter den Mietenstopp auch sozial geförderte Wohnungen fallen können, zum anderen lässt sich kurzfristig der Bestand an sozial geförderten Wohnungen eher durch den Ankauf und die Verlängerung von Belegungsrechten erhöhen als durch Neubau, insbesondere wenn nicht mehr vor 2024/25 gebaut werden sollte. Dann sollten wir darüber reden, ob wir mehr als jede vierte freiwerdende freifinanzierte Wohnung bei der ABG in die Bindung nehmen. Entscheidend für mich ist auch, dass Land die mögliche Dauer der Bindungsfristen verlängert, z.B. auf 50 Jahre. Denn eins ist klar zu sagen: Eine geförderte Wohnung muss auch eine solche bleiben und nicht nur für einen kurzen Zeitraum, denn das ist alles andere als wirtschaftlich oder nachhaltig.
Vielen Dank.
Hier geht es zum dazugehörigen Antrag!