Antrag: Solaroffensive für Frankfurt V: Solarparks auf besonders geeigneten Freiflächen realisieren
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Die Stadt Frankfurt am Main setzt sich zum Ziel, den Ausbau von Photovoltaik- und/oder Solarthermie-Freiflächenanlagen (sog. Solarparks) aktiv zu ermöglichen und so zu beschleunigen, dass bis 2035 auf möglichst allen aus rechtlicher Sicht besonders geeigneten Freiflächen im Stadtgebiet, die sich technisch und wirtschaftlich eignen, und bei denen keine gewichtigen Gründe gegen die Nutzung als Solarpark sprechen, entsprechende Anlagen installiert und in Betrieb genommen werden können.
Folgende Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass dieses Ziel weitestgehend erreicht werden kann:
1. Der Magistrat wird beauftragt, bis Mitte 2024 diejenigen Flächen im Stadtgebiet zu identifizieren, die sich insbesondere gemäß "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (2023) und Hessischer "Freiflächensolarverordnung" (2018) aus rechtlichen Gründen potenziell in besonderer Weise für die Errichtung von Solarparks eignen würden und auf welchen die Errichtung von Solarparks aufgrund bestimmter Einschränkungen oder Auflagen nicht ausgeschlossen ist. Die Übersicht über die potenziell für die Errichtung von Solarparks besonders geeigneten Flächen ist auf der Internetseite der Stadt zu veröffentlichen. Bei Bedarf sollen externe Dienstleister*innen für die Erstellung der Freiflächen-Solaranlagen-Potenzialanalyse beauftragt werden. Die Analyse der Flächen soll insbesondere folgende Flächenkategorien umfassen (sog. "Gunstflächen"):
a) Potenzielle Standorte entlang von Autobahnen und Schienenwegen: Flächen längs von Autobahnen oder Schienenwegen des übergeordneten Netzes mit mindestens zwei Hauptgleisen und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 500 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn (EEG 2023, § 37, Abs. 2, c). Diese Flächen eignen sich besonders für Solarparks, da sie sehr stark von Lärm und Abgasen belastet sind und für andere Nutzungszwecke daher nicht oder nur sehr eingeschränkt geeignet sind. Die Flächen innerhalb eines Korridors von 200 Meter Abstand zu Autobahnen oder Schienenwegen des übergeordneten Netzes sind dabei besonders geeignet, da Solaranlagen auf diesen Flächen durch eine Privilegierung im Baurecht im Rahmen eines vereinfachten Genehmigungsverfahren errichtet werden können. Das heißt, dass für Solarparks in diesem Korridor keine Bebauungspläne aufgestellt werden müssen. Im dennoch notwendigen Zulassungsverfahren muss jedoch geprüft werden, ob öffentliche Belange oder Ziele der Raumordnung entgegenstehen.
b) Potenzielle Standorte auf Konversionsflächen: Hierzu zählen insbesondere Flächen, die zuvor als Deponien, Altablagerungen, Aufschüttungen und Abraumhalden oder für militärische Zwecke genutzt wurden. Diese Flächen eignen sich besonders für Solarparks, da diese Flächen durch entsprechende Verfüllungen oder Altlasten im Untergrund nicht oder nur sehr eingeschränkt für andere Nutzungszwecke geeignet sind (EEG 2023, § 37, Abs. 2, a).
c) Potenzielle Standorte auf bzw. an Lärmschutzanlagen: Flächen auf bzw. an Lärmschutzwänden oder Lärmschutzanlagen eignen sich potenziell ebenfalls sehr gut, da dort die Lärm- und Emissionsbelastung sehr hoch ist und dadurch andere Nutzungen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind (EEG 2023, § 38c, Abs. 1).
d) Potenzielle Standorte auf Flächen, die aufgrund anderer Einschränkungen oder Auflagen, wie beispielsweise sehr hoher Fluglärmbelastung oder spezifischer Auflagen der Seveso-Richtlinie, für die Errichtung von Solarparks besonders geeignet wären.
2. Der Magistrat wird beauftragt, ein möglichst bürokratiearmes Verfahren einzuführen und im Internetauftritt der Stadt bekannt zu machen, wie interessierte Projektentwickler*innen Solarparks in den als potenziell besonders geeignet und für die prioritäre Entwicklung identifizierten Freiflächen installieren und in Betrieb nehmen können. Eine kurze Checkliste (Kriterienkatalog) kann Projektentwickler*innen beispielsweise angeben, welche Informationen sie für eine Erstbefassung der Kommune mit dem Projekt zusammenstellen müssen. Ein solcher Kriterienkatalog sollte beispielsweise den Abstand zur Wohnbebauung, maximale Flächengrößen, Informationen zum Netzanschluss oder Anforderungen an die Pflege und Unterhaltung sowie an den Rückbau einer Freiflächen-Solaranlage enthalten. Mit einem solchen Kriterienkatalog können Standortanfragen von Projektentwickler*innen schneller und einheitlicher bearbeitet und die Planungs- und Realisierungszeit dadurch beschleunigt werden.
3. Der Magistrat wird beauftragt, die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit interessierte Projektentwickler*innen bis Ende 2026 auf den in Punkt 1 als besonders geeignet identifizierten Freiflächen einen oder mehrere Solarparks mit einer Leistung von insgesamt mindestens 5 Megawattpeak in Betrieb nehmen können. Die Stadt könnte hierfür anhand des Kriterienkatalogs Standorte im Stadtgebiet ermitteln, die aus Sicht der Stadt in besonderer Weise für einen Solarpark geeignet sind und diese aktiv bewerben bzw. langfristig durch eine Flächennutzungsplanung sichern. Durch eine solche vorausschauende Angebotsplanung könnte die Stadt die Errichtung von Solarparks räumlich aktiv steuern und beschleunigen. Hierbei ist zu prüfen, ob die Verfahren beschleunigt werden könnten, wenn externe Dienstleister*innen beispielsweise in die Aufstellung von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen eingebunden werden.
4. Der Magistrat wird beauftragt, auf den als besonders geeignet identifizierten Freiflächen, die sich im Eigentum der Stadt befinden, mit gutem Beispiel voranzugehen und schnellstmöglich Solarparks zu realisieren. Dafür soll geprüft werden, ob die Stadt auf diesen Flächen - unter Berücksichtigung der Kriterien schnelle Umsetzbarkeit, gesellschaftliche Akzeptanz und wirtschaftliche Attraktivität - Solarparks in Eigenregie realisieren will oder ob sie diese Flächen städtischen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, wie z. B. der Mainova, der FES oder der ABGnova, und privaten Dritten, wie z. B. Bürgerenergiegenossenschaften, zur Verfügung stellen will.
Die Solarparks im Stadtgebiet sollen eine möglichst große finanzielle Beteiligung von privaten Haushalten, Unternehmen und städtischen Gesellschaften aus Frankfurt bzw. der Rhein/Main-Region ermöglichen. Die Stadt Frankfurt soll sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten am Betrieb von Solarparks im Stadtgebiet beteiligen (§ 6 EEG 2023).
Die Stadt Frankfurt soll die mit der Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen - insbesondere der Bauleitplanung - einhergehenden Kosten nach dem Verursacherprinzip auf die Investierenden übertragen. So ist zu vereinbaren, dass die Vorhabenträger*innen beispielsweise die Planungskosten und/oder die Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen übernehmen. Des weiteren sollen Regelungen über eine umweltverträgliche Realisierung der Anlagen und eine Rückbauverpflichtung getroffen werden.
Die Solarparks im Stadtgebiet sollen so gestaltet werden, dass sie auch zu einer ökologischen Aufwertung der Flächen und damit auch zum Arten- und Naturschutz beitragen können. Der Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) und der Bundesverband Solarwirtschaft e. V. (BSW) haben dafür gemeinsam Kriterien für naturverträgliche Photovoltaik-Freiflächenanlagen entwickelt, an welchen sich die Stadt Frankfurt orientieren könnte.
Begründung:
Der schnelle und umfassende Ausbau der Solarenergienutzung im Stadtgebiet ist von entscheidender Bedeutung für das Ziel größtmöglicher Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten, für die Senkung der Energiekosten und für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2035.
Neben den Dachflächen auf stadteigenen Gebäuden, auf den Gebäuden der städtischen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften und auf den Gebäuden von Privathaushalten, Unternehmen und Vereinen bieten auch Freiflächen ein sehr großes Potential für den Ausbau der Photovoltaik- und/oder Solarthermie-Anlagen (sog. Solarparks).
Bisher ist im Stadtgebiet allerdings noch kein Solarpark in Betrieb, das Gesamtpotential für solche Anlagen im Stadtgebiet ist noch nicht bekannt und es gibt auch keine öffentlich zugängliche Übersicht, welche konkreten Flächen im Stadtgebiet sich besonders für eine schnelle Realisierung von Solarparks eignen würden. Die Solaroffensive zielt daher darauf ab, auch den Ausbau von Solarparks im Stadtgebiet aktiv zu ermöglichen und stark zu beschleunigen.
Als Standorte für Solarparks kommen insbesondere diejenigen Freiflächen im Stadtgebiet in Frage, die gemäß "Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG 2023)" von 2022, gemäß der Hessischen "Freiflächensolaranlagenverordnung" von 2018 und gemäß "Sachlicher Teilplan Erneuerbare Energien (TPEE) 2019 Regionalplan Südhessen" als rechtlich zulässig definiert und daher potenziell besonders geeignet sind. Laut dem Regionalplan Südhessen eignen sich insbesondere Flächen für Freiflächensolaranlagen, die als "Lärmschutzanlagen an den Infrastrukturachsen (regionalplanerisch raumbedeutsame Straßen und Schienentrassen)", als "Restflächen im Bereich parallel verlaufender Straßen und Schienen und an Kreuzung" sowie als "Abbauflächen im Rahmen der Rekultivierung" ausgewiesen sind und dadurch nach einer Einzelfallprüfung bevorzugt für die Errichtung von Solarparks genutzt werden können. Die "Änderung des Hessischen Energiegesetzes" von 2022 zielt außerdem darauf ab, dass in Hessen "die Nutzung von Photovoltaikanlagen in einer Größenordnung von 1 Prozent der Fläche des Landes" erfolgen soll. Solarparks spielen hier eine zentrale Rolle. Die Errichtung und der Betrieb von Solarparks und die dazugehörigen Nebenanlagen liegen "im überragenden öffentlichen Interesse" und dienen "der öffentlichen Sicherheit." Gemäß "Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht" (2023) sind Solaranlagen, die in einer Entfernung von bis zu 200 Metern zu Autobahnen oder Schienenwegen des übergeordneten Netzes, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, realisiert werden sollen, privilegiert.
Im Frankfurter Stadtgebiet könnten insbesondere die Flächen auf bestehenden Deponien (z. B. "Monte Scherbelino", Abraumhalde der Kupferwerke in Heddernheim oder die "Griesheimer Alpen") und die Flächen entlang der Autobahnen (z. B. A 3, A 5, A66 oder A661) geeignete Standorte für die zeitnahe Realisierung von Solarparks darstellen.
Bislang mussten Kommunen in Deutschland für jede einzelne Freiflächen-Anlage im planungsrechtlichen Außenbereich vorhabenbezogene Bebauungspläne aufstellen. Durch die neue Bundesgesetzgebung sind Freiflächen-Anlagen im planungsrechtlichen Außenbereich seit dem 1.1.2023 innerhalb von 500m entlang der Bundesautobahnen und mehrgleisigen Schienenwege baurechtlich privilegiert. Dadurch gelten für Solarparks auf diesen Flächen vereinfachte Genehmigungsverfahren (siehe EEG 2023, § 37, 2c). Dies bedeutet, dass für Vorhaben auf diesen Flächen kein Bebauungsplan erstellt werden muss. Im dennoch notwendigen Zulassungsverfahren wird geprüft, ob öffentliche Belange oder Ziele der Raumordnung entgegenstehen. Das bisher gültige Verbot von Bauten in einem Abstand von 40m zur Fahrbahn von Bundesautobahnen gilt nicht mehr generell, sondern kann nach Prüfung des Einzelfalls entfallen.
Viele Kommunen in Hessen und im gesamten Bundesgebiet haben bereits vielfältige Erfahrungen mit der Planung und Realisierung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen gemacht, an welchen sich Frankfurt orientieren könnte.
Die Entsorgungsbetriebe Wiesbaden nahmen bereits 2008 auf der Deponie Dyckerhoffbruch in Wiesbaden einen Solarpark mit einer Leistung von 0,9 Megawattpeak in Betrieb. Die Stadtwerke Weiterstadt errichteten 2009 in Weiterstadt entlang der Bundesautobahn A5 einen Solarpark, der jährlich 475.000 Kilowattpeak produziert. Die Rhein-Main Solarpark GmbH errichtete 2011 zusammen mit den Stadtwerken Dreieich und der FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH auf der ehemaligen Abfalldeponie in Dreieich-Buchschlag einen Solarpark mit einer jährlichen Leistung von 8,2 Megawattpeak. Die Rhein-Main-Deponienachsorge GmbH errichtete 2013 eine Anlage mit einer Leistung von 3 Megawattpeak auf der Deponie Grix in Offenbach am Main. Im Jahr 2020 nahm die Bürgerenergiegenossenschaft Vogelsberg eG in Ulrichstein einen Solarpark mit 1,3 Metawattpeak auf einer ehemaligen Erddeponie in Betrieb. Im Jahr 2022 nahm die EnBW im Landkreis Limburg-Weilburg an der Bundesautobahn A3 bei Bad Camberg einen Solarpark in Betrieb, der jährlich 4 Megawattpeak produziert. Viele weitere Solarparks innerhalb und außerhalb Hessens befinden sich in verschiedenen Planungs- und Realisierungsphasen. Die Mainova GmbH beteiligt sich beispielsweise am Solarpark "Boitzenburger Land" in Brandenburg, der mit rund 180 Megawattpeak Leistung einer der größten Solarparks im gesamten Bundesgebiet sein wird. Die Fertigstellung dieses Solarparks ist für Sommer 2023 geplant.
Der Solarpark in Dreieich-Buchschlag ist ein Beispiel für eine gelungene Kooperation zwischen verschiedenen Akteur*innen aus der Region: Die Eigentümergemeinschaft setzt sich zusammen aus der Rhein-Main Solarpark GmbH (49,01%), Bürger*innen-Beteiligungen organisiert über die Sonneninitiative Marburg e. V. (25,22%), Walther-Gebhardt VB GmbH (15,9%) sowie Anteilen der Stadtwerke Neu-Isenburg und Langen, der Neue Energie Taunus eG, BürgerEnergiegenossenschaft Dreieich eG und Energieservice Rhein-Main GmbH. Diese Anlage bietet damit städtischen Gesellschaften, Bürger*innen und Unternehmen aus der Region attraktive Beteiligungsmöglichkeiten. Die FES war Bauherrin der Photovoltaik-Anlage. Die Bauzeit dieser Anlage belief sich auf gerade einmal fünf Monate. Die RMS Rhein-Main-Solarpark GmbH ist Betreiberin des Solarparks.
Verschiedene Kommunen in Hessen haben außerdem damit begonnen, das Potential für Solarparks in ihrem Stadtgebiet systematisch zu erfassen. Die Stadtverordnetenversammlung in Marburg hat beispielsweise 2022 die Solarpotenzialanalyse "Freiflächen-Solaranlagen-Potenzial im Außenbereich der Universitätsstadt Marburg" zur Identifizierung von Standorten für Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen im Stadtgebiet beschlossen. Diese Analyse gibt einen sehr guten Überblick über rechtlich zulässige Flächen, deren Erschließung unterschiedlich priorisiert wird, und könnte als Orientierung für die Analyse in Frankfurt hilfreich sein.
Weitere hilfreiche Informationen zur Rolle der Kommunen bei der Entwicklung von Solarparks finden sich beispielsweise in der Kurzinformation "Freiflächensolaranlagen in Hessen. Hinweise zu Vergütung und Planung" der LandesEnergieAgentur Hessen von 2020, in der Arbeitshilfe "Planung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen in Niedersachsen" des Niedersächsischen Landkreistages und des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes von 2022, im "Leitfaden für die kommunale Bauleitplanung für Freiflächenphotovoltaikanlagen (FFPVA)" des Landesverbandes Erneuerbare Energien Niedersachsen / Bremen e. V. von 2022, in der Veröffentlichung "Rahmenbedingungen für PV-Freiflächenanlagen. Die Rolle der Kommune als Planungsträger und Gestalter" der Energieagentur Rheinland-Pfalz von 2021, in der Selbstverpflichtung "Gute Planung. Best Practice für PV-Freilandanlagen" des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft e.V. von 2022 sowie in der Arbeitshilfe "Fotovoltaik auf Deponien und Altablagerungen" des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz von 2010.
Der Antrag und dazugehörige Dokumente können im Parlamentarischen Informationssystem (Parlis) eingesehen werden.