Die neue Koalition steht auf wackeligen Beinen
Friedrich Merz ist diese Woche erst im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt worden. Das ist ein historischer Dämpfer: Noch nie zuvor ist ein Kanzlerkandidat im ersten Anlauf durchgefallen. Was auf den ersten Blick wie ein parlamentarisches Detail erscheint, ist in Wahrheit ein politisches Beben. Denn dieser Fehlstart zeigt: Die neue Koalition aus CDU/CSU und SPD steht auf wackeligen Beinen - und das schon, bevor sie ihre Arbeit überhaupt aufgenommen hat.
Deutschland braucht in diesen krisenhaften Zeiten eine handlungsfähige Regierung mit einer verlässlichen Mehrheit im Parlament. Doch Friedrich Merz hat im ersten Wahlgang keine Mehrheit bekommen. Das ist ein deutliches Misstrauensvotum - nicht von der Opposition, sondern aus den eigenen Reihen. Wie will eine Regierung das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen, wenn ihr schon das Vertrauen der eigenen Abgeordneten fehlt?
Die Verantwortung, eine tragfähige Mehrheit zu organisieren, liegt bei Friedrich Merz und Lars Klingbeil - und sie sind daran gescheitert. Wir Grüne übernehmen Verantwortung für stabile Verfahren im Parlament. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, eine Koalition zu stabilisieren, die sich selbst nicht trägt.
Noch gravierender als der Fehlstart ist der politische Kurs, den CDU/CSU und SPD einschlagen wollen. Ihr Koalitionsvertrag ist eine Absage an die Zukunft. Die Klimakrise wird ignoriert. Statt Fortschritt erleben wir Rückschritte: Kohlekraftwerke laufen weiter, neue fossile Kraftwerke ohne klare Wasserstoffstrategie sind geplant, das Klimaschutzgesetz soll ausgehöhlt werden. Das 2030-Ziel wird faktisch aufgegeben - ein Schlag ins Gesicht der jungen Generation.
Auch in der Sozialpolitik fehlt jede Perspektive. Das Bürgergeld wird entkernt, faire Arbeitsbedingungen geschwächt, Rentenpolitik planlos gestaltet. Wer auf Sicherheit und soziale Gerechtigkeit gehofft hat, wird enttäuscht. Gleichzeitig setzen CDU/CSU und SPD in der Migrations- und Innenpolitik auf Symbolpolitik und Abschottung - mit Eingriffen in Grundrechte und einer Schwächung der demokratischen Zivilgesellschaft.
In der Außenpolitik liefert die neue Koalition keine Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit. Keine klare Haltung zu Trump, Putin oder Xi, keine Vision für Europa, keine Ambition in der Entwicklungszusammenarbeit - das ist zu wenig angesichts globaler Herausforderungen.
Wir Grüne haben Friedrich Merz nicht zum Kanzler gewählt, weil sein Kurs und dieser Koalitionsvertrag unserem Land schaden werden. Und wir werden im Bundestag eine starke, progressive Opposition sein: kritisch, konstruktiv, kompromisslos im Einsatz für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit. Friedrich Merz ist im ersten Anlauf gescheitert - und das ist ein Zeichen. Dieses Land braucht keine Politik von gestern, sondern eine klare Vision für morgen.
Solidarische Grüße,
Eure Debbie