Antrag „Klimaneutrales Frankfurt 2035“: Grundsatzbeschlüsse
Gemeinsamer Antrag der Fraktionen von GRÜNEN, SPD, FDP und Volt vom 15.03.2022
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Die Stadt Frankfurt am Main setzt sich zum Ziel, bis 2035 auf ihrem Gebiet klimaneutral zu werden. Darüber hinaus verfolgt die Stadt Frankfurt am Main die Absicht, die Klimaneutralität bei der Stadtverwaltung bereits bis 2030 zu erreichen. Die Stadt Frankfurt am Main setzt sich darüber hinaus dafür ein, dass alle städtischen Beteiligungsgesellschaften so schnell wie möglich klimaneutral werden, dazu werden wir Anreizprogramme prüfen.
Der Erfolg der kommunalen Klimaschutzanstrengungen misst sich einzig und allein an der Reduzierung von Treibhausgas (THG)-Emissionen. Das Ziel der Klimaneutralität ist dahingehend zu verstehen, dass sich Reduktionsziele und Zwischenziele dabei an den verbleibenden THG-Restmengen orientieren, welche in Frankfurt noch maximal emittiert werden dürfen, um den eigenen Beitrag zur Einhaltung des internationalen Abkommens von Paris sicherstellen zu können, und damit die Beiträge der Stadt Frankfurt einem errechneten Beitrag zur Einhaltung des Gesamtpfades zur Klimaneutralität entsprechen.
Der Magistrat wird aufgefordert, den Klimaschutz in den Mittelpunkt zu rücken und das zur Zielerreichung Notwendige zu veranlassen.
Der Magistrat wird zur Erreichung dieser Ziele dazu aufgefordert, folgende organisatorischen Weiterentwicklungen innerhalb der Stadtverwaltung vorzunehmen:
1. Der Magistrat wird beauftragt, das Dezernat für Umwelt und Frauen in ein "Dezernat für Klima, Umwelt und Frauen" weiterzuentwickeln, welches den dezernats- und sektorenübergreifenden Prozess zur Erreichung der oben genannten Ziele federführend vorantreibt, politisch koordiniert und die Öffentlichkeit dabei aktiv einbezieht.
2. Der Magistrat wird beauftragt, ein "Klimareferat" im Dezernat für Klima, Umwelt und Frauen einzurichten, in welchem die Zuständigkeiten und das Personal aus dem Energiereferat (Klimaschutz, d.h. Reduzierung der THG-Emissionen) und der Koordinierungsstelle Klimaanpassung im Umweltamt (Anpassung an die Folgen des Klimawandels) vereint werden. Das Klimareferat ist für die fachliche Koordination der Klimaschutzaktivitäten innerhalb der Stadtverwaltung zuständig. Das Klimareferat soll insbesondere die Erstellung und Umsetzung des Klimaschutzplans operativ begleiten, die Fortschrittsberichte erstellen, die THG-Bilanzen in Auftrag geben und die Bereitstellung städtischer Förderangebote für private Haushalte und Unternehmen sicherstellen.
3. Der Magistrat wird beauftragt, alle Informations- und Beratungsangebote der Stadt Frankfurt in den Bereichen Energie und Klimaschutz (insbesondere zu den Themen energetische Sanierung, Installation von Photovoltaik-Anlagen, Umstellung auf klimafreundliche Heizungsanlagen, energieeffizienter Neubau, Energieeffizienz im Unternehmen, Stromsparen im Haushalt) in einer zielgruppennahen, serviceorientierten und flexiblen Organisationseinheit zu bündeln und entsprechend der Ziele des Klimaschutzplans in den einzelnen Themen deutlich auszubauen. Diese Organisationseinheit soll neben der kostenlosen Erstberatung über mögliche Fördermittel von Stadt, Land, Bund und weiteren Akteuren vor allem auch kostenlose aufsuchende Vor-Ort-Beratungen durchführen, in enger Abstimmung mit dem Klimareferat Informations- und Beratungsangebote entwickeln, Informationskampagnen und -veranstaltungen organisieren und die Vernetzung aller Akteure unterstützen, die eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaschutzziele in Frankfurt spielen (z.B. Mainova, städtisches Energiemanagement, Landesenergieagentur). Dieses Informations- und Beratungszentrum ist der Service-Point, an dem die privaten Haushalte und Unternehmen alle relevanten Informationen "aus einer Hand" erhalten. Dieses Zentrum fungiert auch als kommunale Energie- und Klimaschutzagentur der Stadt Frankfurt und spielt damit eine zentrale Rolle bei der Erreichung der Klimaschutzziele in Frankfurt. Es ist bis zur Sommerpause 2022 zu prüfen und zu berichten, wie eine möglichst ergebnisorientierte und effiziente Organisationsstruktur hierfür geschaffen werden kann.
Der Magistrat wird zur Erreichung dieser Ziele dazu aufgefordert, einen unabhängigen Klimaschutz-Expert*innen-Beirat einzurichten:
4. Der Magistrat wird beauftragt, einen Klimaschutz-Expert*innen-Beirat einzuberufen (z.B. "Klimabeirat"), der die Stadtpolitik und die Stadtverwaltung fortlaufend auf der Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse über geeignete Klimaschutz-maßnahmen berät, deren Ergebnisse bewertet und bei Nicht-Erreichung der Ziele konkrete Empfehlungen für Sofortmaßnahmen zur Kurskorrektur formuliert.
Der Magistrat wird zur Erreichung dieser Ziele dazu aufgefordert, einen Klimaschutzplan als strategisches Steuerungsinstrument zu erstellen:
5. Der Magistrat wird beauftragt, durch das Klimareferat innerhalb eines Jahres nach Beschlussfassung einen intern abgestimmten Vorschlag für einen Klimaschutzplan mit klarem Zielpfad vorzulegen, der verbindliche THG-Reduzierungen mit Zwischenzielen und für die Zielerreichung geeignete Maßnahmen sektorübergreifend und in allen relevanten Sektoren umfasst, die es ermöglichen, die oben genannten Ziele zu erreichen.
o Dieser Klimaschutzplan soll auf ein Fachgutachten (z.B. "Klimaneutrales Frankfurt 2035") aufbauen, welches die Entwicklung der THG-Emissionen seit 1990 aufzeigt, den "Masterplan 100% Klimaschutz" und die "Klimaallianz" auf ihre THG-Wirkung hin evaluiert und Empfehlungen für konkrete Maßnahmen formuliert, mit welchen die THG-Emissionen in den verschiedenen Sektoren entsprechend der oben genannten Ziele reduziert werden können. Alle emissionsmindernden Maßnahmen, also Formen der Emissionsvermeidung, der Emissionsreduzierung und der Kreislaufwirtschaft, sollen hierbei gleichermaßen einbezogen werden. Diese einzelnen Maßnahmen sollen in dem Gutachten mit den jährlich durch sie zu erreichenden THG-Reduzierungen hinterlegt werden. Außerdem sollen Schätzungen der Kosten für die einzelnen Maßnahmen erarbeitet werden. Aus Kosten und Einsparwirkungen soll ein Vorschlag für die Priorisierung der Maßnahmen erarbeitet werden. Das Gutachten soll darüber hinaus Verantwortlichkeiten innerhalb der Stadtverwaltung für die einzelnen Maßnahmen nennen.
o Aufbauend auf dem Gutachten erarbeitet der Magistrat den Klimaschutzplan. Der Plan baut damit auf die bisherigen zentralen Steuerungs- und Beschlussdokumente im kommunalen Klimaschutz auf, richtet das Klimaschutzmanagement der Stadt auf die neuen Ziele aus und umfasst insbesondere Maßnahmen, die nachweislich besonders hohe THG-Reduktionswirkungen erbringen können.
o Die Reduktionsziele und Zwischenziele orientieren sich dabei an den verbleibenden THG-Restmengen, welche in Frankfurt noch maximal emittiert werden dürfen, um den eigenen Beitrag zur Einhaltung des internationalen Abkommens von Paris sicherstellen zu können.
o Im Plan werden konkrete Verantwortlichkeiten für die Umsetzung der Maßnahmen und die Erreichung der Ziele festgelegt.
o Der Plan umfasst Maßnahmen zur Vermeidung und zur Verminderung von THG-Emissionen sowie zur Bindung von nicht-vermeidbaren THG-Emissionen innerhalb des Stadtgebiets und außerhalb (z.B. durch Baumpflanzung/Aufforstung).
o Im Plan werden für jede der vorgeschlagenen Maßnahmen die geschätzten Kosten für Investitionen, Personal und sonstige Kosten pro Jahr angegeben.
o Der Plan enthält einen Vorschlag dafür, wie die THG-Wirkungen der einzelnen Maßnahmen in einem anerkannten und maßnahmenübergreifend aggregierbaren Verfahren evaluiert werden können.
o Ähnlich wie im Bereich Verkehr soll der Plan kontinuierlich fortgeschrieben werden, Maßnahmen sollten im Verlauf der Planungen konkretisiert und nach Wirkung und zeitlichem Aufwand priorisiert werden.
o Der Plan soll unter Einbeziehung des Klimabeirats und der Bevölkerung entwickelt und dann der Stadtverordnetenversammlung zum Beschluss vorgelegt werden.
o Der Magistrat legt der Stadtverordnetenversammlung jährlich einen Fortschrittsbericht vor, in welchem der Stand der Realisierung der Maßnahmen und der Stand der Erreichung der Ziele beschrieben werden. Der Magistrat berichtet halbjährlich im Ausschuss für Klima- und Umweltschutz in einem Kurzresümee über den aktuellen Stand der Zielerreichung und geplante Sofortmaßnahmen, die bei Zielabweichung zur kurzfristigen Kurskorrektur ergriffen werden sollen.
Der Magistrat wird zur Erreichung dieser Ziele dazu aufgefordert, die Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen sicherzustellen:
6. Der Magistrat wird beauftragt, sicherzustellen, dass für die Klimaschutz-Maßnahmen, die noch im ersten Halbjahr 2022 begonnen werden müssen, damit der Zeitplan eingehalten werden kann, die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt insbesondere für die Erstellung des Klimaschutzplans, für die Einrichtung des Klimabeirats, für die Erstellung der THG-Bilanz, für die Teilnahme an der Überprüfung im Rahmen des "European Energy Awards" und für die Aktualisierung des Internetauftritts der Stadt zum Klimaschutz entsprechend der neuen Zielsetzung ("Klimaneutrales Frankfurt 2035").
7. Der Magistrat wird beauftragt, alle Dezernate und Ämter dezernatsübergreifend eine Liste mit allen Investitionsprojekten zusammenstellen zu lassen, welche in erheblichem Maße zur THG-Reduzierung beitragen können, für welche Kostenschätzungen vorliegen und welche mit der vorhandenen Personal- und Finanzausstattung in den zuständigen Dezernaten und Ämtern noch im Jahr 2022 begonnen werden könnten (z.B. energetische Sanierung von städtischen Gebäuden, Umstellung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende LED-Technik, Anschaffung von städtischen Fahrzeugen mit klimafreundlichen Antriebstechnologien oder Baumpflanzprogramme). Diese Maßnahmen sollen entsprechend des Verhältnisses von THG-Einsparnutzen und Kosten gerankt werden. Der Magistrat macht einen Vorschlag, welche Maßnahmen im Rahmen des laufenden Haushalts finanziert werden können. Diese kurzfristig umsetzungsbereiten Maßnahmen können als Sofortprogramm bereits zur THG-Reduzierung beitragen, während der ausführliche Klimaschutzplan erarbeitet wird. Die einzelnen Maßnahmen werden nach ihrer Realisierung maßnahmenbezogen evaluiert, um die tatsächliche Einsparung von THG-Emissionen durch die Maßnahmen überprüfen zu können.
8. Der Magistrat wird beauftragt, bei Investitionen grundsätzlich Klimaschutz und Klimawandelanpassung, Bildung und Betreuung, Verkehrswende und bezahlbaren Wohnraum zu priorisieren. Bei geplanten bzw. bereits beschlossenen Investitions-projekten (z.B. Neubau der städtischen Bühnen, Kinder- und Jugendtheater, Weiterentwicklung des Zoos, Investitionen in Sportstätten und Infrastruktur) wird auf eine in besonderem Maße energieeffiziente Planung und Ausführung geachtet. Der Magistrat stellt sicher, dass investive Mittel bereitgestellt werden, damit möglichst viele der im Klimaschutzplan zur Erreichung der Zwischenziele vorgesehenen Investitions-projekte in allen Bereichen (sowohl für Planung als auch für technische Realisierung) finanziert und die oben beschriebenen Ziele erreicht werden können. Dabei soll wiederum denjenigen Maßnahmen Priorität eingeräumt werden, welche die höchsten THG-Reduzierungen pro Kosteneinheit aufweisen oder Sofortmaßnahmen zur Kurskorrektur darstellen. Dabei sollen außerdem, wo immer möglich, vorrangig Fördermittel aus EU-, Bundes- und Landesprogrammen ausgeschöpft und Potentiale zur Umschichtung und/oder Einsparung im bisherigen Budget ausgelotet werden. Die Schwerpunktsetzung der investiven Ausgaben berührt die Prioritäten bei den laufenden, also konsumtiven Ausgaben nicht: dort sind das die Leistungen im Bereich Soziales und Gesundheit sowie die Behebung von strukturellen Benachteiligungen in den Bereichen Gleichberechtigung, Integration, Bildung und Teilhabe, außerdem Bildung, Betreuung und Kultur.
9. Der Magistrat wird beauftragt, aktiv zu prüfen, welche öffentlichen Fördermittel aus EU-, Bundes-, Landes- und sonstigen Programmen, die im Einklang mit den Klimaschutzzielen der Stadt Frankfurt stehen, zur (Ko-) Finanzierung der Maßnahmen aus dem Klimaschutzplan genutzt werden können. Die entsprechenden Fördermittel sind abzurufen. Hierfür werden die erforderlichen städtischen Eigenmittel bereitgestellt. Der Magistrat wird beauftragt, insbesondere alle möglichen Fördermittel aus der "Klima-Richtlinie" des Landes Hessen, aus der "Kommunalrichtlinie" im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative und - wenn möglich - auch aus der EU-Mission "100 klimaneutrale Städte bis 2030 - für und mit den Bürgerinnen und Bürgern" abzurufen bzw. einzuwerben. Der Magistrat wird gebeten, zu berichten, in welchem Umfang die entsprechenden öffentlichen Fördermittel tatsächlich abgerufen wurden.
10. Der Magistrat wird beauftragt, ein öffentliches Spendenportal einzurichten, um allen Menschen und Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich mit privaten Spenden an der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in Frankfurt zu beteiligen. In diesem Portal können konkrete Projekte in Frankfurt online präsentiert werden, welche zur Einsparung von THG und/oder zur Anpassung an den Klimawandel beitragen, aber nicht oder nicht vollständig durch städtische Mittel, öffentliche Fördermittel und/oder Eigenmittel der jeweiligen Projektträger finanziert werden können (z.B. Maßnahmen von Vereinen und Initiativen). Dadurch hat jeder Mensch die Möglichkeit, ganz praktisch Verantwortung für den Klimaschutz vor Ort zu übernehmen - insbesondere für kleinere und mittelgroße Herzensprojekte. In vielen anderen Städten bestehen solche Portale seit vielen Jahren. Dieses Portal sollte bei einer Organisation angesiedelt sein, die gemeinnützig ist und dadurch Spendenbescheinigungen ausstellen kann. Der Magistrat wird gebeten, zu prüfen und zu berichten, welche bestehende oder neu zu schaffende Organisation hierfür am besten geeignet wäre. Der Magistrat wird beauftragt, der Stadtverordnetenversammlung bis Ende 2022 einen Vorschlag vorzulegen, wie dieses Spendenportal konkret ausgestaltet werden soll, wo es organisatorisch aufgehängt werden soll und welche Kosten für die Einrichtung und den Betrieb anfallen.
Der Magistrat wird zur Erreichung dieser Ziele dazu aufgefordert, eine bessere Informationsgrundlage für den kommunalen Klimaschutz einzuführen:
11. Der Magistrat wird beauftragt, ab sofort jährlich eine Energie- und THG-Bilanzierung für das gesamte Gebiet der Stadt zu erstellen und die Ergebnisse spätestens im Folgejahr zu veröffentlichen. In dieser Bilanz werden die Verantwortungsbereiche der Stadt Frankfurt eigens ausgewiesen. Die jährliche Ermittlung der THG-Emissionen ist essentiell, um die aggregierten Fortschritte bei der Erreichung der Klimaschutzziele messen und im Falle der Nicht-Erreichung schnelle Sofortmaßnahmen zur Kurskorrektur einleiten zu können. Die Bilanzierung erfolgt auf der Grundlage der bundesweit einheitlichen Empfehlung für die kommunale Energie- und THG-Bilanzierung (BISKO-Standard). Nach BISKO wird die Standardbilanz mit dem nationalen Strommix berechnet (Bundesmix). Da dadurch Veränderungen in der lokalen Stromerzeugung nicht abgebildet werden können, soll in der Bilanz ergänzend auch abgebildet werden, wie sich der lokale Strommix zusammensetzt und welche THG-Emissionen dadurch entstehen (Territorialmix). Es sollte darüber hinaus geprüft werden, inwiefern auch THG-Wirkungen in der Landwirtschaft / Forstwirtschaft / Grünflächengestaltung berücksichtigt werden können. Die erste jährliche Bilanzierung soll bereits für das Kalenderjahr 2021 erstellt werden.
Der Magistrat wird zur Erreichung dieser Ziele dazu aufgefordert, die Klimaschutzaktivitäten durch folgende Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten:
12. Der Magistrat wird beauftragt, die Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung zum Thema Klimaschutz in Frankfurt auf das Ziel "Klimaneutrales Frankfurt 2035" zu fokussieren, den Nutzen der Klimaneutralität und der einzelnen Maßnahmen zu vermitteln, alle Informationen in einem Internetauftritt zu bündeln, die Hauptzielgruppen gezielt kommunikativ anzusprechen und die Stadtgesellschaft insgesamt zur aktiven Beteiligung an den Klimaschutzaktivitäten einzuladen. Hierfür können beispielsweise Vorschläge für geeignete Maßnahmen über Online-Ideenportale wie das "Frankfurt fragt mich"-Portal eingeholt, zielgruppenorientierte Informations- und Beratungsangebote für die Hauptzielgruppen in den Sektoren des Klimaschutzplans entwickelt und aktuelle Informationen über die Ziele und die tatsächlich erreichten THG-Einsparungen auf einer digitalen Anzeigetafel in der Stadt oder im Internetauftritt der Stadtverwaltung den Bürger*innen vermittelt werden.
13. Der Magistrat wird beauftragt, gemeinsam mit dem Klimabeirat ein geeignetes Format zu entwickeln, durch welches interessierte Menschen bzw. die Stadtgesellschaft insgesamt in regelmäßigen Abständen über die Fortschritte beim Klimaschutz informiert und an der Weiterentwicklung der Klimaschutzaktivitäten beteiligt werden können.
14. Der Magistrat wird beauftragt, bis Ende 2022 zu prüfen und zu berichten, wie besonders wirksame und daher vorbildliche und nachahmenswerte Klimaschutzaktivitäten in Frankfurt identifiziert, bekannt gemacht ggf. ausgezeichnet werden können (v.a. in den im BISKO-Standard erfassten Sektoren "Kommunale Einrichtungen", "Verkehr", "Industrie / Verarbeitendes Gewerbe", "Gewerbe, Handel, Dienstleistungen / Sonstiges" und "Private Haushalte").
Der Magistrat wird zur Erreichung dieser Ziele dazu aufgefordert, folgende Verfahren der Prüfung und Überprüfung des Verwaltungshandelns einzuführen:
15. Der Magistrat wird beauftragt, eine unabhängige Überprüfung und Zertifizierung des Energie- und Klimaschutzmanagements der Stadt Frankfurt im Rahmen des "European Energy Awards" zu veranlassen. Diese externe Überprüfung erfolgt alle 3 bis 4 Jahre, dient dem Qualitätsmanagement und macht die Fortschritte einer Kommune bei Energieeffizienz und Klimaschutz mess- und sichtbar. Diese externe Überprüfung ist seit mehr als 10 Jahren in bereits mehr als 1.500 Kommunen in Deutschland und Europa anerkannter Standard und gute Praxis. Die erste unabhängige Überprüfung sollte möglichst noch im Jahr 2022 durchgeführt werden.
16. Der Magistrat wird beauftragt, in Umsetzung der Beschlüsse zur Klimaallianz einen Vorschlag für eine Klimaschutzprüfung vorzulegen, mittels derer zukünftig alle Beschlussvorlagen von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung vor deren Behandlung auf ihre Klimaschutzwirkungen hin überprüft werden könnten. Das Verfahren zielt darauf ab, verwaltungsintern systematisch zu prüfen, ob der Beschluss erhebliche positive, erhebliche negative oder keine erheblichen Auswirkungen auf die THG-Emissionen im Stadtgebiet haben wird. Das Verfahren sollte so unbürokratisch wie möglich ausgestaltet sein. Das Verfahren wird, sofern es von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wird, nach einem Jahr evaluiert und ggf. angepasst.
Der Magistrat wird zur Erreichung dieser Ziele dazu aufgefordert, folgende Vernetzungs- und Dialogformate einzuführen:
17. Der Magistrat wird beauftragt, sich aktiv mit anderen Städten in Hessen, Deutschland und Europa auszutauschen, um den Erfahrungsaustausch und das gegenseitige Lernen (best practice) über geeignete Wege zur Erreichung der Klimaneutralität zu fördern, um gemeinsam für bessere rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Förderprogramme auf Landes-, Bundes- und Europaebene einzutreten und um gemeinsam in den Stadtgesellschaften ein Bewusstsein für das Ziel 2035 zu schaffen. Dafür sollen die bestehenden Foren und Netzwerke, wie beispielsweise die "Klima-Kommunen" in Hessen, die thematischen Arbeitsgruppen im Deutschen Städtetag und die "Climate Alliance of European Cities" genutzt werden. Es bietet sich ein besonders enger Austausch mit anderen Städten an, die ebenfalls beschlossen haben, bis 2035 klimaneutral zu werden.
18. Der Magistrat wird beauftragt, sich über die Aufsichtsgremien dafür einzusetzen, dass die städtischen Tochtergesellschaften und die städtischen Beteiligungsgesellschaften möglichst klimaneutral gemacht werden. Dafür sollen diese Gesellschaften Fahrpläne mit konkreten Zielen und Maßnahmen entwickeln und umsetzen, damit sie ihre Geschäftsbereiche insgesamt und insbesondere sehr energie- und treibhausgasintensive Einzelanlagen so kosteneffizient wie möglich emissionsarm machen können.
19. Der Magistrat wird beauftragt, auf private Unternehmen im Frankfurter Stadtgebiet, die in energie- und treibhausgasintensiven Geschäftsfeldern aktiv sind, zuzugehen, um gemeinsam Formen der Unterstützung zu mehr Klimaneutralität identifizieren zu können. In diesen Dialog sollen die Konzepte und Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt "Nachhaltiges Gewerbegebiet" einfließen, weiterentwickelt werden und für die Erschließung neuer Industriestandorte verstetigt werden. In diesem Rahmen sollen gezielt Gespräche mit der Betreiberin des Braunkohlestaub-Kraftwerks in Fechenheim aufgenommen werden.
Begründung:
Die globale Klimakrise zwingt uns zu schnellem und wirkungsvollem Handeln.
Der sechste Weltklimabericht vom August 2021 kam zu dem Ergebnis, dass viele der prognostizierten negativen Folgen des Klimawandels noch schneller eintreten als bislang befürchtet. Extremwetter wie Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Hochwasser werden immer häufiger. Nur bei sofortigem und entschiedenem Klimaschutz kann der globale Temperaturanstieg am Ende des Jahrhunderts auf etwa 1,5°C begrenzt werden. Jedes Zehntel Grad mehr hätte voraussichtlich gravierende Auswirkungen auf unser Leben. Schon bei 2°C Erwärmung würden extreme Hitzeereignisse 14-mal wahrscheinlicher und 70 Prozent mehr Starkregen-Ereignisse müssten befürchtet werden - und diese Ereignisse würden zudem noch jeweils bis zu 30 Prozent heftiger ausfallen.
Dem Bericht der Weltwetterorganisation vom September 2021 zufolge hat sich die Zahl der erfassten wetter- und klimabedingten Katastrophen wie Stürme, Überflutungen und Dürren zwischen 1970 und 2019 verfünffacht. Außerdem haben die THG-Konzentrationen in der Atmosphäre im Jahr 2020, trotz pandemiebedingt eingeschränkter Wirtschaftsaktivitäten, einen neuen Höchstwert erreicht. So sind lediglich die im Jahre 2020 entstandenen THG-Emissionen vorübergehend zurückgegangen. Diese Reduzierung der Emission hatte aber keinerlei Auswirkung auf die THG-Konzentration in der Atmosphäre und die damit einhergehende stetig fortschreitende Erderwärmung mit weltweiten Unwetterkatastrophen.
Die Weltklimakonferenz in Glasgow im November 2021 hat gezeigt, dass die bislang zugesagten Beiträge der Vertragsstaaten bei weitem noch nicht ausreichen, um das im internationalen Klimaschutzabkommen von Paris in 2015 vereinbarte Ziel zu erreichen, und dass es allerhöchste Zeit ist, die THG-Emissionen umfassend zu reduzieren. Daher müssen die Anstrengungen im Klimaschutz deutlich verstärkt und wirksame Maßnahmen auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen schnell und mit hoher Priorität umgesetzt werden.
Die Auswirkungen der globalen Klimakrise sind schon seit mehreren Jahren auch in Deutschland und in Frankfurt konkret spür- und sichtbar und beeinflussen unser tägliches Leben. Die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 hat allein im Ahrtal mindestens 133 Menschen das Leben gekostet und tausende Häuser, Betriebe und die Infrastruktur wurden zerstört. 2018 wurde im Frankfurter Westend mit 12,9°C die bundesweit höchste Jahresmitteltemperatur gemessen. Im Hitzesommer 2019 wurde mit 40,2°C im Frankfurter Westend die hessenweit höchste Extremtemperatur gemessen. 2020 wurde im Frankfurter Westend mit 12,6°C bundesweit die zweithöchste Jahresmitteltemperatur nach Köln (12,8°C) gemessen. Lange Dürrezeiten und veränderte Niederschlagsmuster führen dazu, dass der Frankfurter Stadtwald großflächig schwer geschädigt ist und ggf. abstirbt. Gleichzeitig kommt es vermehrt zu Starkregenereignissen und Hochwasser. Die jüngsten Hochwasser am Liederbach in Unterliederbach und Höchst im August 2020 und das Hochwasser in den nordöstlichen Stadtteilen Frankfurts im Juni 2021 haben dies deutlich gezeigt.
Das in Paris 2015 vereinbarte globale Klimaschutzziel, wonach der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts auf max. 2°C, möglichst nur 1,5°C begrenzt werden soll, kann jedoch nur erreicht werden, wenn alle Staaten, alle Regionen und alle Städte ihren Beitrag dazu leisten. Aus dem erklärten Klimaschutzziel von Paris leitet folgerichtig auch Frankfurt ab, alle Aktivitäten zu unternehmen, um bis zum Jahre 2035 klimaneutral zu sein.
Wir blicken in Frankfurt auf eine lange Tradition des kommunalen Klimaschutzes zurück. Frankfurt trat bereits 1990 als Gründungsmitglied dem "Klimabündnis" bei und Frankfurt erwarb sich mit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von 2010 den Ruf der "Passivhaus"-Hauptstadt. Das "Energie und Klimaschutzkonzept" von 2008, der "Masterplan 100% Klimaschutz" von 2012 und die "Klimaallianz" von 2019 waren wichtige Meilensteine.
Der Blick auf die Entwicklung der THG-Emissionen in Frankfurt seit 1990 zeigt aber auch, dass die bisherigen Anstrengungen zur Reduzierung der THG-Emissionen bei weitem noch nicht ausreichen, um die dringend notwendige Klimaneutralität bis 2035 erreichen zu können. Gemäß der letzten veröffentlichten Energie- und THG-Bilanz der Stadt Frankfurt vom April 2020 konnten die THG-Emissionen im Frankfurter Stadtgebiet zwischen 1995 und 2017 nur marginal von 8,40 Mio. Tonnen CO2 eq auf 7,90 Mio. Tonnen CO2 eq reduziert werden. Frankfurt steht als sehr attraktive Stadt vor der besonderen Herausforderung, die absolute Reduzierung der THG-Emissionen bei gleichzeitigem dynamischem Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft zu realisieren.
Wir können dieses überwölbende Ziel für die Entwicklung unserer Stadt aber erreichen, wenn wir den Klimaschutz ins Zentrum der Politik rücken, alle Kräfte bündeln und mit einem umfangreichen Klimaschutzpaket einen breit in Stadtpolitik, Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft getragenen Aufbruch in eine klimaneutrale Zukunft in Gang setzen. Wir können dabei auf die bisherigen Aktivitäten in Frankfurt aufbauen, neueste Erkenntnisse der Wissenschaft nutzen und uns an den guten Erfahrungen der anderen deutschen Städte orientieren, die in den vergangenen Wochen und Monaten ebenfalls in Richtung Klimaneutralität 2035 aufgebrochen sind.
Die neuen Klimaschutzoffensiven in vielen Städten zeichnen sich dadurch aus, dass sie über eine starke politische Unterstützung verfügen, eine auf THG-Reduzierung ausgerichtete Gesamtstrategie verfolgen, eine sektorübergreifende Steuerungsstruktur aufweisen, ein THG-Monitoring-System mit aktuellen Informationen bereithalten, mehr wissenschaftliche Evidenz für das Politik- und Verwaltungshandeln einbeziehen, eine unabhängige Überprüfung des kommunalen Energie- und Klimaschutzmanagements sicherstellen, die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstellen, mehr Lernen von und mit anderen Kommunen anregen, mehr Wettbewerb für Ideen und Innovationen befördern und insgesamt einen Paradigmenwechsel weg von der Auflistung von Klimaschutzaktivitäten hin zur messbaren Reduzierung von THG-Emissionen vollziehen. Der Erfolg der kommunalen Klimaschutzanstrengungen misst sich einzig und allein an der Reduzierung von THG-Emissionen.
Erhebliche finanzielle Investitionen in regenerative Energien, in Energieeinsparprogramme und einschneidende Maßnahmen zur Klimaanpassung unserer Stadt stehen im Mittelpunkt der Wahlperiode. Wir sind davon überzeugt, dass diese politischen Ziele so zu gestalten sind, dass sie Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und die Vielfalt in Frankfurt miteinander verbinden und stärken, künftige Generationen von den Folgen des Klimawandels entlasten und gleichzeitig eine solide Haushaltspolitik verantworten sowie für einen innovativen Wirtschaftsstandort hoch attraktiv sind.
Mieter*innenschutz und Klimaschutz gehören für uns zusammen. Energetische Modernisierungen dürfen nicht zu Verdrängung von Mieter*innen führen. Dennoch sind energetische Modernisierungen wichtig, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung und der Stadt Frankfurt zu erreichen. Wir werden daher eine städtische Monitoring-Stelle einrichten, die überprüft, ob die Vereinbarungen in Erhaltungssatzungsgebieten, bei Abwendungen des kommunalen Vorkaufsrechts bzw. bei Inanspruchnahme von städtischen Fördergeldern für energetische Sanierungsmaßnahmen eingehalten werden.
Der Weg zur Klimaneutralität bis 2035 hilft uns nicht nur, die schädlichen Folgen des Klimawandels für Frankfurt zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen. Dieser Weg bietet uns als Stadt und als Stadtgesellschaft auch große Chancen auf mehr Lebensqualität durch eine begrünte Stadt, auf reduzierte Energiekosten, auf mehr nachhaltige Mobilität, auf zukunftsfähige Arbeitsplätze, auf unternehmerischen Erfolg und auf einen nachhaltigen Wohlstand.
Das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 ist sehr ambitioniert und lässt sich nur durch eine sehr große und gemeinsame Anstrengung der Stadtpolitik, der Stadtverwaltung, der Unternehmen und der privaten Haushalte erreichen. Wir werden aber alle direkt davon profitieren - und unsere Kinder und Enkel werden es uns danken. Packen wir's an - Jetzt und gemeinsam!
Der Antrag und dazugehörige Dokumente können im Parlamentarischen Informationssystem (Parlis) eingesehen werden.