Nicht wegschauen vor dem Leid der Geflüchteten
Liebe Freund:innen,
wir erleben derzeit viele Krisen gleichzeitig. In vielen Ländern herrschen Bürgerkriege oder insgesamt lebensbedrohliche Situationen für die Bevölkerung. Die globale Klimaerwärmung verursacht in vielen Regionen der Welt Dürren, Überschwemmungen und schwere Stürme. Immer häufiger sind es Extremwetter-Ereignisse und Naturkatastrophen, die die Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Dabei haben Klimaflüchtlinge oft am wenigsten zur aktuellen Lage beigetragen. Im Foyer des Plenarsaals mahnen nun 94 Terracottafiguren des italienischen Künstlers Andrea Capucci jede:n Vorbeieilende:n, nicht wegzuschauen vor dem Leid der Geflüchteten, die bei uns auf einen „sicheren Hafen“ hoffen.
Die Skulptur heißt „Die Beweinung“. Bis vor kurzem war sie Teil der beeindruckenden Ausstellung „Menschenknospen“ im Palmengarten. Als Klima- und Umweltdezernentin habe ich die Ausstellung eröffnet und war berührt von der Aussagekraft der Skulptur: 93 Menschen hocken und stehen vor einer liegenden, der 94. Tonfigur. Sie zeigt den damals zweijährigen Alan Kurdi, der mit seiner Familie 2015 vor dem Bürgerkrieg in Syrien floh und bei der Überfahrt ertrank. Vor ihm sitzt sein Vater, der einzige Überlebende der Familie, mit einer Rose als Zeichen seiner Trauer in der Hand. Viele der Figuren haben keine Arme als Ausdruck ihrer Handlungsunfähigkeit, sie wirken hilflos, einige wenden sich ab.
Es war uns ein großes Anliegen, dass diese beeindruckende Skulptur weiterhin gezeigt wird. Wir beide haben sie daher noch vor der jüngsten Plenarsitzung in den politischen Raum umgezogen. Als Frankfurter Stadtverordnetenvorsteherin habe ich es möglich gemacht, dass die Figur vor dem Plenarsaal stehen kann.
Viele der 93! Stadtverordneten haben sich die Installation bereits angeschaut, manche suchten auch das Gespräch mit Andrea Capucci, der sich während des Plenums ein paar Stunden im Foyer bereitgehalten hatte. Das Werk des Italieners zeigt sehr eindrucksvoll das vielfache Leid der Geflüchteten. Das Bild des toten Kindes ging damals um die ganze Welt und die Anteilnahme war groß. Neben dem Leid der Geflüchteten, thematisiert die Skulptur aber auch, wie schnell wir nach einer kurzen Eruption des Mitgefühls bereit sind, zum „Tagesgeschäft“ überzugehen. Andrea Capuccis Skulptur „Die Beweinung“ ist eine Mahnung, uns nicht zu drücken vor unserer Verantwortung. Wir wollen keine Kultur des Wegschauens in dieser Stadt und wir sollten alles tun, den Flüchtenden eine sichere Zuflucht zu bieten.
Mindestens ein halbes Jahr lang wird die Skulptur vor dem Plenarsaal stehen. In dieser Zeit suchen wir nach anderen öffentlichen, politisch besetzten Räumen, um das Werk und seine Botschaft erneut sichtbar zu machen. Vielleicht habt Ihr auch Ideen, dann freuen wir uns, sie zu hören.
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