Wir wollen die Rechte und den Schutz von Sexarbeiter*innen bzw. Prostituierten in Frankfurt stärken
Pressemitteilung der GRÜNEN im Römer vom 14.02.2024
In der Stadtverordnetenversammlung und auch im morgigen Sozialausschuss wird über die Situation von Sexarbeiter*innen und Prostituierten in Frankfurt und über ein gesetzliches Sexkaufverbot debattiert. Die frauen- und sozialpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Römer, Beatrix Baumann, erklärt diesbezüglich:
„Wir GRÜNE akzeptieren und respektieren die Entscheidungen und individuellen Beweggründe von Menschen, in diesem Beruf zu arbeiten. Ihr Selbstbestimmungsrecht, ihre Lebensumstände und ihre Bedürfnisse stehen für uns im Vordergrund. Wir verschließen aber nicht die Augen vor prekären Arbeitsbedingungen und möglichen riskanten Begleitumständen, wie beispielsweise Ausbeutung und Gewalt, Traumata und Gesundheitsgefährdung. Das Ausmaß dieser Risiken kann sehr unterschiedlich sein: Die drogenabhängige Prostituierte auf dem illegalen Straßenstrich, die zum Freier ins Auto steigt und nicht weiß, wohin er mit ihr fährt, arbeitet weitaus gefährdeter als die bei Gesundheits- und Finanzamt registrierte Sexarbeiterin im Saunaclub, der von Sicherheitskräften bewacht wird.
Wo das Risiko besonders groß ist, müssen Hilfe und Unterstützung ansetzen. Die Stadt Frankfurt hält bereits ein differenziertes Hilfsangebot vor: aufsuchende Arbeit, Fachberatung, Gesundheitsversorgung, psychosoziale Unterstützung, berufliche Orientierung, suchtspezifische Hilfen, Begleitung bei Verfahren gegen Gewalttäter. Dieses Angebot wollen wir ausbauen. Der nächste Schritt sind Ausstiegswohnungen – eine Wohnung, finanzielle Unterstützung und intensive Betreuung für die Übergangsphase von der Sexarbeit bzw. Prostitution in eine andere Tätigkeit. Weitere Maßnahmen, um die Lebenslagen und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen bzw. Prostituierten in Frankfurt zu verbessern, wollen wir auf der Basis der Ergebnisse einer wissenschaftlichen Dunkelfeldstudie auf den Weg bringen. Denn die Datenlage ist schwach, es fehlt an fundierten Zahlen und Fakten. Das lässt in der politischen Debatte zu viel Raum für Verallgemeinerungen und gefühlte Wahrheiten. Wir brauchen für eine seriöse Analyse und die Entwicklung von weiteren Handlungsstrategien eine nüchterne Betrachtung des Ist-Zustands in Frankfurt.“
In diesem Zusammenhang ergänzt die Fraktionsvorsitzende Tina Zapf-Rodríguez:
„Die Gründe, warum Menschen in der Sexarbeit bzw. Prostitution tätig sind, sind vielfältig. Manche haben sich bewusst für diesen Beruf entschieden oder sehen in dieser Arbeit eine Möglichkeit, schnell viel Geld zu verdienen. Manche sichern mit Sexarbeit ihre Existenz und den Lebensunterhalt ihrer Familienangehörigen und sind stolz darauf. Andere prostituieren sich aus materieller Not, mangels beruflicher Alternativen oder zur Beschaffung von Drogen. Und manche sind Opfer von physischer oder psychischer Gewalt, Zwang oder Druck. Auch die Debatte über Sexarbeit bzw. Prostitution wird dementsprechend zwischen zwei Polen geführt. Hier Sexarbeit aufgrund einer selbstbestimmten Entscheidung, sexuelle Dienstleistungen gegen Geld anzubieten – dort ein patriarchales System, das Frauen dazu nötigt, sich aus Armut heraus oder gar unter Zwang zu prostituieren, wobei die Hauptprofiteure Bordellbetreiber, Zuhälter und Freier sind. Wissenschaftliche Studien belegen, dass es beides gibt. Es ist empirisch falsch, die eine oder die andere Variante zu verallgemeinern. Vor allem aber wird bei der Polarisierung die Vielfalt dazwischen außer Acht gelassen. Das Sexarbeits- und Prostitutionsgewerbe ist sehr heterogen. Die Fachberatungsstellen für Sexarbeiter*innen und Prostituierte und gegen Menschenhandel – die wiederum mit sehr unterschiedlichen Zielgruppen arbeiten – wissen das. Sie beschreiben ein sehr differenziertes Bild von Sexarbeit und Prostitution in Frankfurt. Deshalb freuen wir uns sehr, dass die Fachberatungsstellen mit ihrer Expertise demnächst in den Fachausschüssen im Römer über ihre Arbeit berichten werden.“
Christoph Rosenbaum, sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion, ergänzt: „Wir wollen den fachlichen Austausch über Sexarbeit und Prostitution in Frankfurt aber noch deutlich erweitern, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und gemeinsam Strategien zu entwickeln. Manche Sexarbeiter*innen/Prostituierte sind Opfer von Gewalt, Zwang oder Druck. Wir wollen wissen, wie viele es sind und ob das auf fehlende gesetzliche Regelungen zurückzuführen ist oder auf ein Vollzugsdefizit. Handelt es sich um ein Vollzugsdefizit, können wir auf kommunaler Ebene handeln. Dieser und anderen Fragen wollen wir im Rahmen eines strukturierten fachlichen Austauschs mit Polizei, Ordnungsamt, Justiz, Gewerbeaufsicht, Beratungsstellen, Gesundheitsamt und anderen Akteuren unbedingt nachgehen.“
„Ich persönlich bin der Auffassung, dass die Diskussion um ein Sexkaufverbot uns hier in Frankfurt in Bezug auf die Situation von Sexarbeiter*innen/Prostituierten nicht weiterbringt,“ so Beatrix Baumann abschließend. „Es gibt aus Studien Hinweise darauf, dass durch ein Sexkaufverbot die Straßenprostitution verringert wird. Vollkommen unklar ist aber, ob sich durch ein Sexkaufverbot Sexarbeit und Prostitution reduzieren oder ob sie nur in die Illegalität verdrängt wird. Eine Tätigkeit in der Illegalität verschlechtert aber die ohnehin schwierigen Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen und Prostituierten – sie sind dann mehr Gefährdungen ausgesetzt.
Seit 2001 haben wechselnde Bundesregierungen sich für die Entkriminalisierung und Regulierung von Sexarbeit/Prostitution und für die strafrechtliche Verfolgung von Gewalt und Ausbeutung in der Prostitution entschieden. Ein Sexkaufverbot würde eine radikale Abkehr von dieser Linie bedeuten. Ein Sexkaufverbot hätte außerdem Auswirkungen auf die Grundrechte von Menschen, die der Sexarbeit/-Prostitution nachgehen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Ausübung der Prostitution in den Kontext der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit gestellt. Ein Sexkaufverbot wird die Bedingungen, die Frauen vulnerabel machen für Ausbeutung und Gewalt in der Prostitution (Diskriminierung, Armut, Abhängigkeiten, Drogengebrauch, Machtverhältnisse) nicht ändern.“