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Antrag: Energieschulden und Energiesperren vermeiden - kommunales Handlungskonzept gegen Energiearmut

Freitag, 8.7.2022

Gemeinsamer Antrag der Fraktionen von GRÜNEN, SPD, FDP und Volt vom 08.07.22

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat wird beauftragt, bis zu Beginn der diesjährigen Heizsaison ein kommunales Handlungskonzept zur Vermeidung von Energieschulden und Energiesperren vorzulegen. Die Handlungsoptionen sind der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung am 20.10.2022 vorzulegen.

Dieses Handlungskonzept soll zunächst zeitnah notwendige und direkt umsetzbare Schritte enthalten und kann kontinuierlich um weitere Elemente erweitert sowie modifiziert werden - z.B. bezugnehmend auf neue energetische Erkenntnisse, aber auch korrespondierend mit Landes- und Bundesmaßnahmen.

Neben der Erarbeitung eines effektiven Handlungskonzepts für den kommenden Herbst und Winter, bitten wir den Magistrat, folgende Fragen zu beantworten und deren Ergebnisse sobald schon möglich in die Konzipierung notwendiger und sinnvoller Maßnahmen zu berücksichtigen. Dazu ist es wichtig die Anzahl der bisherigen Versorgungssperren einzuordnen und aufzuschlüsseln sowie die Wirksamkeit bestehender Maßnahmen und Strukturen zu bewerten.

1.  Informationen zur Kundenstruktur und von Stromsperren betroffener Haushalte von Mainova und SÜWAG in städtischer Beteiligung für die Jahre 2021, 2020, 2019

·    Wie viele Kund*innen

i.      bezogen in den Jahren 2021, 2020, 2019 Strom bei diesen beiden Gesellschaften und bei allen anderen Strom-, Gas- und Wärmeanbietern (Gas/Strom)?

ii.    wie unterteilen sie sich nach Privathaushalten und Gewerbekunden?

iii.    welcher Anteil der jeweiligen Kundengruppe war von Stromsperren einmalig betroffen?

iv.  und welcher Anteil der jeweiligen Kundengruppe war mehrmalig in Folge betroffen?

2.  Gesetzliche Regelungen zum Verbraucher*innenschutz und deren Umsetzung durch Mainova und SÜWAG sowie Übernahme von Energiekosten für Leistungsbeziehende nach SGB

·    Welche gesetzlichen Regelungen bestehen, um Verbraucher*innen vor Stromsperren zu schützen?

·    Wie setzen Mainova und SÜWAG diese Regelungen um und welche Probleme, Schwierigkeiten, Herausforderungen, Lücken in den Regelungen bestehen, für die Verbesserungsvorschläge zu formulieren wären?

·    Welche Leistungen erhalten Leistungsbeziehende im SGB vom JobCenter oder Jugend- und Sozialamt für die Deckung von Strom- und Energiekosten?

 

3.  Kommunale Strukturen zur Beratung von Verbraucher*innen sowie Service die Stromanbieter und Rolle von Wohnungsbaugesellschaften/Vermietenden

·    Welche Strukturen bestehen in Frankfurt, um Verbraucher*innen zu beraten, vor und bei drohender Notlage präventiv zu unterstützen sowie im Falle von Stromsperren schnell Abhilfe zu schaffen?

i. Wie bereitet sich die Stadt Frankfurt auf steigende Energiekosten und möglicherweise vermehrte Stromsperren durch den Krieg in der Ukraine vor?

·    Welche Service- und Beratungsleistungen werden von Mainova und SÜWAG angeboten?

·    Welche Service- und Beratungsleistungen werden von der Energieberatung der Stadt angeboten?

·    Welche Erkenntnisse liegen den Netzdiensten Rhein Main zum Umgang von Energieversorgern mit Stromsperren vor?

·    Welche Unterstützung leisten JobCenter sowie Jugend- und Sozialamt?

i. Können Schulden vom Amt übernommen werden, um Überziehungszinsen der Konten von Stromkund*innen zu entlasten und Schuldenfallen zu vermeiden?

·    Welche Möglichkeiten der Unterstützung haben Wohnungsbaugesellschaften bzw. Vermieter*innen (hier bitte, wenn möglich, unterscheiden in öffentlich und privat) bei Strom-/Energiesperren und wie werden sie in Anspruch genommen? Zu welchen Maßnahmen sind sie ggf. verpflichtet?

·    Welche Zahlungs- bzw. Abzahlungssysteme bestehen, um Energieschulden zu begleichen (Prepaid, Bareinzahlungen, Ratenzahlungsvereinbarungen)?

·    Wie viele Stromsperren konnten 2021, 2020 und 2019 jeweils durch Unterstützung städtischer oder städtisch geförderter Stellen bzw. Einrichtungen (z.B. Caritas Beratung) abgewendet werden?

 

4.  Wirksamkeit bestehender Gesetze und Strukturen und Möglichkeiten und Notwendigkeit weiterer Handlungskonzepte

·    Wie schätzt der Magistrat die Wirksamkeit der bestehenden Maßnahmen zum Schutz vor Energiearmut ein?

·    Welche Änderungen auf Bundes- und Landesebene sinnvoll wären, insbesondere in Hinblick auf:

i. Dauerhafte Aussetzung von Energiesperren,

ii. Anhebung der Regelsätze des Haushaltsstroms bei der Grundsicherung und

iii. Überprüfung und Weiterwicklung der bestehenden Angebote hin zu einer sozialverträglichen Tarifstruktur mit ökologischen Anreizen ("wer weniger verbraucht, zahlt weniger").

·    Gibt es Erfahrungen und einen Austausch zur "Energiearmut" auf Ebene des Städtetages?

·    Gibt es Best-Practice-Beispiele aus anderen Städten, Bundesländern oder Ländern?

Begründung:

Bei den aktuell stark steigenden Gas- und Energiepreisen, insbesondere in Folge des Kriegs Russlands gegen die Ukraine, ist es wichtig, soziale Härten abzufedern. Menschen dürfen nicht in eine prekäre Lage geraten und letztendlich in einer kalten Wohnung sitzen oder diese auf Grund von zu hohen Energieschulden gar verlieren. Ein sicheres Dach über dem Kopf sowie die Versorgung mit Wärme, Strom und Wasser sind Grundrechte und müssen in jeder Situation gelten.

Die Koalition von GRÜNE, SPD, FDP und Volt hat sich die Prävention von Energieschulden, die Vermeidung von Energiesperren und damit die Bekämpfung von Energiearmut zum Ziel gesetzt. Dahingehend gilt es zu bemerken, dass die Anzahl der jährlich erfolgten und angedrohten Energie- und Versorgungssperren, mit Ausnahme der Pandemiejahre, rückläufig ist. Ebenfalls gab es im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie eine Aussetzung des Sperrprozesses über mehrere Monate.

Der aktuelle Stand stellt sich demnach wie folgt dar: Von 17.588 Sperrankündigungen wurden 2020 schlussendlich 4.629 Versorgungssperren durchgeführt. Im Jahr 2021 belaufen sich die Zahlen auf 20.906 Sperrankündigungen und 4.766 erfolgte Sperren. Anteilig entfallen die meisten auf die Stromversorgung, mit weitem Abstand folgen Gas, Wasser und Wärme (F 263/21).
 

Der Antrag und dazugehörige Dokumente können im Parlamentarischen Informationssystem (Parlis) eingesehen werden.