Weshalb Klima und Soziales nicht abgesondert betrachtet werden darf
Liebe Freund*innen,
die Klimafrage ist auch eine soziale Frage. Eigentlich ist uns das klar. Aber mir fiel in letzter Zeit immer wieder auf, dass in Diskussionen im grünen Umfeld so argumentiert wird, als seien die Klimafrage und die soziale Frage zwei gegensätzliche Pole, zwischen denen es eine Balance zu finden gälte. Auch bei unserem Mitgliedertag am vergangenen Samstag hatte ich manchmal diesen Eindruck. So möchte ich die Gelegenheit, dass ich heute dieses Editorial schreiben darf, nutzen, um uns ein paar Argumente in Gedächtnis zu rufen:
Thema Hitze: wenn es im Sommer unerträglich heiß wird, drehen diejenigen, die die Möglichkeit dazu haben, ihre Klimaanlagen auf. Es sind gerade weniger wohlhabende Bevölkerungsschichten, die das nicht können und die unter der Sommerhitze zu leiden haben. Bis hin zur alten Frau, die in der überhitzen Dachgeschosswohnung in Lebensgefahr gerät. Schon die Hitzewelle 2003 hat in Europa nach Schätzungen zwischen 45.000 und 70.000 Todesopfer verursacht.
Thema Energiepreise: Für Menschen mit niedrigerem Einkommen machen die Energiepreise einen viel höheren Prozentsatz ihres Lebensunterhalts aus als bei Menschen mit hohem Einkommen. Dem Porschefahrer auf der Autobahn ist es nicht egal, wie viel er für das Benzin bezahlt, aber er kann sich jeden Benzinpreis leisten und oft fährt er auch entsprechend. Menschen mit niedrigem Einkommen geraten durch hohe Energiepreise an den Rand von Existenzkrisen. Viele mussten in diesem Winter in Wohnungen mit durch die Wohnungsbaugesellschaft herunter gedrehten Heizungen leben. Wer mal einen pflegebedürftigen Menschen bei 18 Grad gewaschen hat, weiß, wen diese Situation besonders getroffen hat. Die erneuerbaren Energien bieten eigentlich das Potential, die Energiepreise dauerhaft und verlässlich niedrig zu bekommen. Deswegen ist die Frage des Ausbaus der erneuerbaren Energien eben nicht nur eine Umweltfrage, sondern auch eine soziale Frage.
Thema Nahrungsmittel: Lange genug habe ich meinen kleinen Gemüsebaubetrieb betrieben und im Sommer auf Regen gehofft, um zu wissen, wie wichtig das Klima für den Anbau von Nahrungsmitteln ist. Ich kann nachfühlen, wie es den Landwirt*innen in der Po-Ebene in Oberitalien ging, als letztes Jahr dieser, für die Bewässerung so wichtige größte Fluss Italiens weitgehend austrocknete, was sich dieses Jahr, betrachtet man den Wasserstand in den großen Alpenseen, zu wiederholen droht. In Frankreich wurden gerade kürzlich die ersten Dörfer mit Trinkwasser aus Tankwagen versorgt. Wassermangel schon im Februar! Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Frankreich waren schon 2022 extrem. Die Auswirkungen von Dürre auf dem afrikanischen Kontinent auf die Nahrungsmittelproduktion dort muss ich sicher nicht extra betonen. Der Klimawandel bedroht Menschen überall auf der Welt mit dem Hungertod, ein zutiefst soziales Thema!
Thema Arbeitsplätze: Bauen wir die Wirtschaft schnell so um, dass sie zukunftsfähig produzieren kann, oder halten wir so lange am althergebrachten fest, bis es zusammen bricht und die Arbeitsplätze weg sind? Lassen wir zukunftsfähige Industrien wie die Solarindustrie im Stich und nach China ziehen und fördern stattdessen den Kohleabbau bis zum Abwinken, um dann am Ende mit riesigen Milliardenbeträgen die dann ehemaligen Kohlearbeiter*innen zu unterstützen (was ja richtig ist) während die wesentlich größere Zahl der von der Solarindustrie abhängigen Menschen komplett allein gelassen wurden (was nicht richtig ist)? Die Frage der zukunftsfähigen Ausrichtung unserer Wirtschaft ist eine soziale Frage, nicht „nur“ eine Umweltfrage!
Ich weiß, wenn davon die Rede ist, wir sollten soziale Fragen mehr in den Vordergrund stellen, ist in der Regel nicht damit gemeint, die sozialen Aspekte der Klimathemen zu negieren. Ich will auch nicht negieren, dass Mietpreise, Einkommensverteilung, Zugang zu Bildung, Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen, Erhalt unserer Demokratie, genauso wichtige Themen sind. Natürlich sind diese und viele andere Themen existenziell wichtig. Also lasst uns die Themen auch weiterhin zusammen denken, nicht gegeneinander.
Am 25. März ist die diesjährige „Earth Hour“. Zum bereits 17. Mal machen wieder von 20.30 Uhr bis 21.30 Uhr rund um den Globus Millionen von Menschen das Licht aus, um so gemeinsam ein starkes Zeichen für den Schutz unseres Planeten zu setzen. Auch Frankfurt ist wieder dabei.
Euer Thomas Schlimme